Erst mit dem Kauf des Grundstücks für den Friedhof an der Ecke Wanner/Oskarstraße begann vor 140 Jahren das jüdische Leben in Gelsenkirchen. „Der Friedhof ist die Voraussetzung für die Gründung einer Gemeinde“, erklärte Dienstag Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen auf dem Jüdischen Friedhof den gut 60 Gästen aus Politik und Nachbarschaft. Die nahmen gestern Mittag den Hort für die Ewigkeit in Augenschein. Nach jüdischem Glauben ist es die letzte Station des Menschen bis zur Auferstehung. Bis dahin, so Judith Neuwald-Tasbach, blieben die Gräber unangetastet. Seit kurzem ist am Eingang eine Erinnerungsort-Tafel, die 25. in der Stadt, angebracht. Sie weist auf die Bedeutung des Friedhofs, aber auch auf die Zeit der Jugendverfolgung zwischen 1933 und 1945 hin.
Viel Zuspruch erhalten
Für den CDU-Bundestagsabgeordnete Oliver Wittke ist die 25. Erinnerungstafel eine Demonstration der Selbstverständlichkeit. „Jüdisches Leben hat es immer schon gegeben und ist Teil der Stadtgeschichte.“ Er kritisierte jüngste Vorfälle, die darin mündeten, dass eine Scheibe der Synagoge mit einem Gullydeckel zerstört wurde..
Judith Neuwald-Tasbach, deren Urgroßvater auf dem Friedhof begraben ist, sagte, dass in der Gemeinde (über 400 Mitglieder) in den letzten Wochen wegen antisemitischer Töne während der Demonstrationen gegen den israelischen Angriff auf den Gazastreifen Zweifel aufgekommen seien. „Doch in der Folge haben wir viel Solidarität in Gelsenkirchen erfahren und blicken wieder zuversichtlicher in die Zukunft.“ Auch die Diskussion darüber, ob die Synagoge für jedermann (50 000 Besucher bislang) geöffnet bleibt, habe sich deswegen erübrigt: „Wir bleiben ein offenes Haus. Wir haben hier nur den einen Ort und möchten als Teil der Gelsenkirchener dort Leben.“
Dass das jüdische Leben in der Stadt Geschichte hat, zeigt auch der alte Friedhof. 400 Menschen wurden dort von 1874 bis 1934 beigesetzt. Anders als bei den Christen bleiben die Gräber und können nicht nach einer gewissen Zeit neu belegt werden.
Nicht nur in dem Punkt unterscheidet sich die jüdische Friedhofskultur. „Blumen kennen wir nicht“, sagt Judith Neuwald-Tasbach. Entweder sind die Gräber mit Steinplatten belegt oder aber die Natur holt sich das Fleckchen Erde zurück. Der Grabstein allerdings bleibt. An der Oskar-straße sind die Gräber mit Efeu bedeckt. Eine andere Tradition ist auch, dass Besucher Steine auf das Grab legen. „Je mehr Steine, desto größer die Achtung. „Einmal, so erinnert sich Judith Neuwald-Tasbach, hatte ein dieser Tradition nicht mächtiger Gärtner Steine entfernt und stolz gemeint: „Die Gräber sind jetzt sauber.“ Damals sei man erschrocken gewesen, heute könne man darüber lächeln.