Gelsenkirchen. Die CDU Gelsenkirchen fährt einen neuen Kurs, seit Oliver Wittke (MdB) ihr Kreisvorsitzender ist. Der 47-Jährige ist im Begriff seiner Partei ein streitbares Oppositionsprofil zu verordnen, damit sie sich im anstehenden Kommunalwahlkampf abhebt.

Seit Oliver Wittke Kreisvorsitzender der CDU Gelsenkirchen ist, verfolgen die Christdemokraten eine neue Strategie, um sich in der Bevölkerung bemerkbar zu machen. Der Bundestagsabgeordnete ist im Begriff, seiner Partei ein streitbareres Oppositionsprofil als bisher zu verordnen. Dazu gehört für den 47-Jährigen auch, über unterschiedliche Konzepte zu streiten und so einen Kompromiss zu finden.


Herr Wittke, Sie hat etwas an der Rede des Oberbürgermeisters beim Neujahrsempfang gestört?

Oliver Wittke: Die Rede war mir im Grundsatz zu seicht. Frank Baranowski müsste gerade bei solchen Gelegenheiten die Chance nutzen, um für Gelsenkirchen eine Aufbruchstimmung zu erzeugen und die Menschen mitzunehmen. Das tut er nicht.

Das hat er mit der Schilderung der Bildungsoffensive für alle Kinder in Gelsenkirchen nicht getan?

Doch, dass wir keine Kinder zurücklassen wollen, ist sicherlich ein positiver Ansatz, den wir als CDU ja entsprechend auch unterstützen. Aber gerade bei der Schulpolitik fehlt mir die Vielfalt.


Etwas genauer, bitte.

Ich meine die Vielfalt im Schulsystem als Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit für die Kinder. Die SPD und ihr grüner Schuldezernent, Dr. Beck, steuern konsequent auf ein System mit zwei Schulformen zu: das Gymnasium und die Gesamtschule...

... das halten Sie für den falschen Weg?

In aller Deutlichkeit: Ja. Wir bringen in Gelsenkirchen mehr Kinder über die Realschule zum Abitur als über die Gesamtschulen. Die Realschule ist hier an einigen Stellen ein Erfolgsmodell, das nicht abgeschafft gehört. Schon gar nicht, wenn es die nötigen Anmeldezahlen hat. Und das ist z.B. in Erle der Fall. Die Realschulen haben eine Existenzberechtigung. Die Gesamtschule ist an einigen Stellen auf dem Weg, ein Ersatz für die Hauptschule zu werden.

Die Vielfalt der Schulen, die Sie ansprechen, ist im Kern ein Stück Landespolitik.

Genau. Darauf basiert der in Düsseldorf getroffene Schulkonsens für NRW. Jeder schaut in seiner Stadt, ob die Vielfalt aufrecht erhalten werden kann und macht das dann auch. In anderen Kommunen werden Realschulen in Falle ihre Erfolges auch nicht infrage gestellt. Hier aber schon.


Sie sprachen eingangs an, der Oberbürgermeister würden aus Ihrer Sicht die Stadt nicht positiv genug darstellen.

Ich reibe mich an der Formulieren von Herrn Baranowski im WAZ-Interview zum Jahresende. Da sagte er, Gelsenkirchen stünde Ende 2013 ganz ordentlich da.

Das sehen Sie anders?

Ja. Gelsenkirchen steht nicht ganz ordentlich da. Gelsenkirchen trägt gleich in mehreren Feldern die rote Laterne: bei der Arbeitslosenquote, bei der Bildungsbeteiligungsquote, bei der Frauenerwerbstätigkeit. Wir stehen nicht gut da bei der Schaffung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze. Da liegen wir mit einem Plus von 4,3 Prozent im Zeitraum von 2007 bis 2012 weit unter dem Bundesdurchschnitt von Plus 9,8 Prozent. Und, ein letztes Beispiel, bei den Beschäftigten mit Hochschulabschluss steht Gelsenkirchen auch schlecht da. Der Bundesdurchschnitt von 2007 bis 2013 weist ein Plus von 3,1 aus, wir haben ein Plus von 0,1 Prozent. Ich sehe die Erfolge nicht.

Die Stadt bekommt aber für ihre Bemühungen auch viele Preise .

Das sind Preise, die nur für die Theorie verliehen werden, nicht aber für die praktischen Erfolge. Um nicht missverstanden zu werden. Ich finde die Theorie und ihre Bewertung gut, aber die Praxis wäre mir lieber.

Wo würden Sie denn ansetzen, auch in einer positiven Darstellung?

Ich habe in der Rede zum Neujahrsempfang beispielsweise vermisst, dass der OB die Energiewirtschaft gelobt hat und dass wir eine sehr starke Chemie besitzen. Sich mal öffentlich dafür auszusprechen und den Unternehmen zu vermitteln, wie wichtig sie für unsere Stadt sind, das fehlte mir.

Sie fürchten dort einen Abfluss?

Eon ist in Teilen weg, die Veba ist weg. Jetzt schließen drei Kraftwerksblöcke in Scholven... Wir müssen an dieser Stelle dringend etwas tun, um die Arbeitsplätze zu erhalten.

Ich denke, Baranowski wird nach Berlin gehen

Herr Wittke, Sie haben an anderer Stelle auch schon mal intensiver die Haltung der Stadt zur Westfälischen Hochschule kritisiert...

... da fehlte mir ein echter Aufschrei des Stadtoberhauptes, als die Umbenennung von Fachhochschule Gelsenkirchen in Westfälische Hochschule stattfand. An dieser Stelle fehlt mir auch ein Konzept.

Mit Blick worauf?

Mit Blick auf die Ansiedlungen von Unternehmen im Umfeld der Hochschule. Flächen gäbe es genügend, aber es passiert nicht viel. Das alles gehört dazu, um eine solide Aufbruchstimmung zu vermitteln. Aber...

... aber was?

Ich glaube ohnehin nicht daran, dass der OB nach seiner möglichen Wiederwahl die volle Amtszeit bis zum Jahr 2020 ausschöpfen wird.


Was glauben Sie denn, was er machen wird?

Ich denke, Baranowski wird nach Berlin gehen, wenn Joachim Poß bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr antreten wird.