Gelsenkirchen. Als ganz besonderen Service bietet das Musiktheater im Revier bei einigen ausgewählten Veranstaltungen eine Einführung für Blinde und Sehbehinderte an. Sie werfen vor der Aufführung einen Blick hinter die Kulissen, betasten die Kostüme und erkunden die Bühne.
Der ältere Herr trägt einen wenig eleganten Pyjama (oller Pullover, noch ollere Hose, eine Strickjacke) und erinnert sich an sein Leben als Held und Liebender. Günter Gajewski betastet die Jacke, lobt und schmunzelt: „So dick ist die ja gar nicht. Da muss nicht wieder jemand auf der Bühne schwitzen.“
„Don Quichotte“ wird aufgeführt
Ein besonderer Service ist die Einführung für blinde Gäste des Musiktheaters im Revier in aktuelle Stücke: Sie können vor ausgesuchten Vorstellung die Kostüme anfassen und buchstäblich begreifen. Dramaturgin Juliane Schunke erklärt: „Don Quichotte hat die Regisseurin Elisabeth Stöppler in die heutige Zeit verlegt, er ist kein Ritter, er erlebt keine Heldentaten, sondern ein richtiges Leben, mit Familie, sogar mit Geschwistern. Der ältere Herr erinnert sich zurück, von den 30er Jahren bis heute.“
Audio-Diskribtionsgeräte für die Ausleihe gegen Pfand
Günter Gajewski, Mitglied und Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenvereins Gelsenkirchen, gehört zusammen mit seiner Frau Margret zu den Stammgästen, die den Service nutzen. Bevor sie um 17.30 Uhr ihre reservierten Plätze im Opernhaus einnehmen (und die Erklärung der Oper mit Hilfe ihres geliehenen Audio-Diskribtionsgerätes hören können), erleben sie ganz besondere Eindrücke hinter den Kulissen und werden über die Bühne geführt, bevor sich der Vorgang hebt.
Neben dem Pyjama sehen die Gäste beispielsweise die Kostüme der doppelten Dulcinée: Einerseits eine wahrhaft prächtige, rote Robe mit Kapuze und langer Schleppe sowie einem wertvollen Collier, anderseits eine ganz profane Kittelschütze, inklusive Plastiklatschen. „Sind die wirklich pink? Furchtbar!“, meint dazu Günter Gajweski.
Auch Schülerinnen der Partnerschule sind dabei
Juliane Schunke erläutert: „In diesem Stück gibt es einerseits die Dulcinée, die von ihm verehrte Dame, der Don Quichotte die geraubte Kette wiederbringt. Und es gibt seine gleichnamige Haushälterin und Putzfrau.“ Letzterer wird einsame ältere Herr später einen Heiratsantrag machen. Neben den blinden Gästen, sind auch fünf Schülerinnen der Gesamtschule Horst, Partnerschule des MiR dabei. Kein einziges Detail zu den Kostümen lassen sie sich entgehen.
Noch spannender wird danach der Gang über die Bühne. Die blinden Zuschauer und die Schülerinnen erleben ein komplettes Haus, denn auf der Drehbühne ist alles zu finden: Sie durchstreifen das Schlafzimmer, lassen sich die Küche erklären, berühren im Bad den Knopf der Dusche, betasten die Handtücher im WC und streicheln über den glänzenden, hölzernen Körper des Cellos von Don Quichotte.
Die nächste Einführung für Blinde ist am 2. Februar. Rund 30 Audio-Diskribtionsgeräte hat das MiR.