Gelsenkirchen. . Vom Bunker in den Keller: Lutz Motzko bringt seit 1974 Musik und Kunst unter einen Hut. Der 68-Jährige blickt auf Höhen, Tiefen und Standorte zurück.
Der Weg ins historische Herzstück der freien Jazz-Szene Gelsenkirchens führt über ein paar Stufen hinab und durch einen langen schmalen Korridor mit niedriger Decke. Die Wände sind gespickt mit Plakaten, Fotos und Zeitungsartikeln früherer Konzerte. Aber auch kleinformatige Gemälde verdecken stellenweise den weißen Putz. Denn die „Art“, die Kunst, darf in diesem Keller schließlich auch nicht zu kurz kommen. 40 Jahre Geschichte erzählt der Flur. Die Jazz & Art Galerie, deren Anfänge sogar bis in die frühen 1950er-Jahre zurückreichen, ist das Reich und das Werk von Lutz Motzko (68).
Motzko malt als „Alfredo Morales“
Der Mann aus der Altstadt bilanziert in seiner Rückschau Höhen und Tiefen der Galerie. „Planungsverdrängt ist unser zweiter Vorname“, lacht der engagierte Künstler über die vielen Standorte der Institution. Als Alfredo Morales malt er Gemälde – „Geochiffren & Co.“, so Motzko. Dass befreundete Künstler in dem urigen Keller ausstellen, sei in letzter Zeit seltener geworden. Er selbst könne mit seinen zahlreichen Werken „mehrere Jahre am Stück ausstellen“.
Die Geschichte der Jazz & Art Galerie (JAG) beginnt im Jahr 1953. Motzko: „Die Dixie-Cats haben damals ein Domizil gesucht.“ Der Tiefbunker im Bereich des heutigen Intercity-Hotels an der Ringstraße/ Ecke Hiberniastraße wurde der Proberaum der Jazz-Musiker. „Sie haben ihre Freundinnen zu den Proben eingeladen und die haben wiederum Freunde und Bekannte mitgebracht“, erklärt Motzko. So habe sich langsam die Jazz-Galerie etabliert.
Termine in der Jazz & Art Galerie
GEjazzt Open: Donnerstag, 9. Januar, 21 Uhr. Jeden 2. Donnerstag spielt Martin Furmann mit wechselnden Musikern Groove Jazz.
Blood Club: Konzert am Samstag, 25. Januar, 20 Uhr. Der Blood Club spielt Dub, Electronic, Psychedelic und House.
B.S.E. Jazzclub: zeigt Konzerte und Jazzfilme am Donnerstag, 16. Januar, 20 Uhr.
Die Freude über die Bleibe war kurz. Denn bei Regen, so stellte sich heraus, war der Tiefbunker nur mit Gummistiefeln zu betreten. Neues Domizil wurde ein Flachbunker an der Hiberniastraße. Dort befindet sich heute der Bahnsteig 4 vom Hauptbahnhof. Bis zum Jahr 1972 blieb man im Hiberniabunker, wobei die Musiker, die Mieter und die Initiatoren wechselten. Vermieter war das für Bunker zuständige Bundesvermögensamt.
1970 stießen Lutz Motzko und seine vor drei Jahren verstorbene Frau Annemarie zu den Akteuren. „Alfredo Morales“ war auf der Suche nach Ausstellungsmöglichkeiten für seine Bilder auf die Jazz-Galerie (so hieß die Einrichtung zu dem Zeitpunkt) gestoßen.
Bis dahin hatte sich der Bunker zum Kulturtreff entwickelt, es gab Lesungen, Ausstellungen, Jazz-Konzerte. „Man muss bedenken, dass es damals noch keine Volkshochschule gab“, erklärt der JAG-Chef. „Das Museum war noch nicht gebaut, es gab kaum Treffpunkte für künstlerisch interessierte Bürger.“ Sogar Günter Grass und Botschafter aus Frankreich und Argentinien seien Gäste der Ur-Galerie gewesen.
Max von Grün und Bill Ramsey
Bis 1972 war das Ehepaar Motzko im Hiberniabunker in verschiedenen Bereichen tätig. In dem Jahr wurde dem Mieter aufgrund von Baumaßnahmen für den neuen Bahnhof gekündigt und die Galerie fand im Arminbunker (Arminstraße/ Ecke Lohfeldstraße) eine neue Bleibe. Notausgänge, Notstrombeleuchtung und ähnliches stellte das damalige Trio vor so große Schwierigkeiten, dass die Eröffnung – dann schon ohne den anfänglichen Galerie-Partner Rolf Frommelt – erst 1974 über die Bühne gehen konnte. Fortan hieß die Einrichtung Jazz & Art Galerie. Finanzielle Rückschläge fingen die Motzkos privat ab. Überhaupt finanzierten sie alles aus eigener Tasche. Annemarie Motzko war bei der Stadt beschäftigt, Lutz Motzko, der sein Malerei-Studium an der Folkwang-Schule abgebrochen hatte, arbeitete als Landschaftsgärtner. Sie schufen Geschichte und begrüßten Literaten wie Max von der Grün, Künstler wie Many Szestecki und Musiker wie Bill Ramsey, der zum Jubiläum vor 30 Jahren gastierte. 1995 wurde der Arminbunker an die Stadt GE verkauft und die JAG musste erneut weichen. Standort wurde 1996 der Keller der ehemaligen Landeszentralbank an der Florastraße 28.