Gelsenkirchen. Geburt in freier Wildbahn: Ein Neugeborenes wird in der Zoom-Erlebniswelt von Zebras angegriffen und schwer verletzt. Wann immer möglich, greifen Mitarbeiter deshalb bei Geburten in Gemeinschaftsanlagen in die „Natur” ein.
Ein-Ohr-Kudu heißt das jüngste Kind der Zoom-Erlebniswelt, das am Dienstag in der afrikanischen Grassavanne zur Welt kam. Ein-Ohr-Kudu deshalb, weil sich Zebras direkt nach der Geburt auf das Jungtier stürzten, es attackierten – und ihm dabei auch ein Ohr abbissen. Das Ganze spielte sich vor den Augen der Besucher ab, und so mancher fragte sich da: Kann der Zoo einen Angriff auf Neugeborene nicht verhindern?
Von einer „Horrorszene” spricht Heinrich Podobienski, der die Geburt in der Erlebniswelt Afrika beobachtete. Kaum war der Kudu geboren, berichtet er, „ergriffen Zebras das Kleine, schleuderten es durch die Luft und traten darauf ein”. Seine Frage: Warum musste das passieren? Weil die Zoo-Mitarbeiter nicht wussten, dass der Kudu kurz vor der Niederkunft steht, sagt Zoom-Sprecherin Sabine Haas. Bei vielen Tieren könne man den gesamten Schwangerschaftsverlauf verfolgen und entsprechende Vorsorgemaßnahmen treffen. Bei manchen Tieren aber erkenne man eine Schwangerschaft überhaupt nicht, etwa bei Kodiak- oder Eisbären, und bei anderen nur dann, wenn kurz vor der Geburt der Euter anschwillt, so bei Giraffen, Antilopen – oder eben Kudus. Bei der Mutter von Ein-Ohr-Kudu fehlte aber selbst dieses Signal, was „äußerst selten” vorkomme. Drum wurde das Tier nicht – wie bei Hochschwangeren üblich – im Stall oder abgeschotteten Vorgehege gelassen, um auf einem von Tierpflegern aufgeschichteten Strohbett in Ruhe sein Kind zur Welt bringen zu können.
Dass sich Zebras auf den neugeborenen Kudu stürzten, sei nicht ungewöhnlich, so die Biologin. Ein Schutzreflex der gestreiften Tiere sei das, fühlten sich die Zebras doch ihrerseits von den geduckt laufenden Jungtieren attackiert, denn sie sähen in ihnen heranschleichende Feinde. Aus diesem Grund greifen die Tierpfleger bei Geburten – wann immer möglich – in die „Natur” der Grassavanne ein. So bringen sie das trächtige Tier zeitig in den Stall oder ins Vorgehege, dort bleibt dann das Neugeborene noch einige Tage. „Wenn es sicher auf den Beinen steht und gut hinter der Mutter herlaufen kann”, so Sabine Haas, „kommt es ins Freie.” Allein: nicht ohne vorher die Zebras einzusperren, die auf Jungtiere „allergisch” reagieren”.
Haben sich die Neugeborenen an die Großanlage gewöhnt, dürfen auch die Zebras wieder hinzustoßen. Ein halbes Dutzend Tierpfleger, ausgerüstet die Stöcken, steht dann Gewehr bei Fuß, sollten die Zebras doch noch einen Angriff wagen, sagt die Zoom-Sprecherin. Und wie geht's Ein-Ohr-Kudu? „Er sah schlimm aus”, sagt Haas, nachdem ihn Tierpfleger aus der Savanne zogen, „doch schon am nächsten Tag war er wieder ganz fidel”. Was freilich fehlt, ist ein Ohr. Die Biologin ist aber guter Dinge, dass sich das Tier dennoch prächtig entwickelt.