Nachts ist kälter als draußen. Sagt man so, und Samstag auf Schalke bekam der Satz einen Sinn: Falls nämlich jemand den Winter gesucht hat – der war in Gelsenkirchen. Mit Schnee in der Arena, der warme Regen musste draußen bleiben. Wäre nicht Biathlon gewesen und ein heißes Rennen mit diesem knappen deutschen Sieg, die 40 000 Zuschauer hätten glatt kalte Füße bekommen können.

Oder kalte Ohren. Aber da ist der Glühwein vor – und Dirks Mütze. Ein Wildschwein hat er aufgesetzt aus Plüsch, das Einzige, das nicht königsblau ist an dem Mann, der immer auf Schalke ist, „wenn das Licht angeht (nur nicht bei Pur)“. So sind wohl die Meisten hier: Schalker, die beim „World Team Challenge“ Jahresabschluss feiern, ohne Ball, mit Biathlon. Das zu sehen, sagt Dirk, „hat man ja kaum Chancen in dieser Ecke“. Man nennt das eine Win-Win-Situation: Die Flachländer kriegen Wintersport, die Sportler ein Publikum, das Torjubel kann.

Sie haben zweieinhalbtausend Kubikmeter herangeschafft, in diese Stadt, die keine hundert Meter über N.N. erreicht. Aus der Skihalle in Neuss, denn auch das Sauerland hat ja keinen Schnee. Dafür Tannenbäume, auch 2500, „die krummen Dinger“, spottet ein Ordner, „die keiner wollte“. Die meisten stehen rechts der Nordkurve, hinter der Schussbahn. Sitzen darf dort niemand, „nur, wer nicht artig war“, witzelt jemand. Die 1243 Meter Rundkurs sind hart und eisig, man sieht die Athleten in den engen Kurven kämpfen, nicht hineinzurutschen in die kleinen Tannenzweige, in den Schnee gesteckt als wackelige Grenzpfähle. Sie würden einen Menschen nicht aufhalten – das Tauwetter auch nicht: Die Herren von der Gebäudereinigung schippen am Rand der Arena keinen Schnee, sondern Wasser, das schon vor dem Rennen bis zu den Knöcheln steht.

Früher sei sie aus „aus sportlichen Gründen“ zum Biathlon auf Schalke gekommen, sagt Petra Meyer, „jetzt ist nur noch Party“. Das allerdings erweist sich an diesem Tag als unpassende Einstellung. Zwar fließt das Bier schon vor dem Skilaufen in Strömen, aber nicht für die Sportler.

„Hey!“, schreit es aus 50 000 Kehlen bei jedem deutschen Treffer, „Hey!“ für Andrea Henkel, aber häufig ein enttäuschtes „Aaah!“ für Andreas Birnbacher, ihren Staffelpartner, dem am Schießstand nichts Rechtes gelingen will. „Pickepacke in die Mitte“ ruft der Moderator, das Publikum singt „Hölle, Hölle, Hölle!“ und dreht die schwarz-rot-goldenen Ratschen für die Fußball-WM warm. Wer gerade nicht rennt, joggt über den Schnee, „das“, sagt ein Zuschauer, „sind die Bilder, die wir im Fernsehen nicht sehen“.

Sieger lobt die „Hammerstimmung“

Laura Dahlmeier und Florian Graf kämpfen sich nach vorn, schießen fast fehlerfrei, überholen – die Arena steht und trägt Graf in der letzten Enge an seinem letzten Widersacher vorbei. „Hammerstimmung“, wird er später sagen, und die Menge singt „Oh, wie ist das schön!“ Sport oder Gaudi? Beides.