Gelsenkirchen. Der Reisedienst Nickel beschäftigt an drei Standorten 160 Mitarbeiter. Allein 48 Linienbusse sind täglich für ÖPNV-Unternehmen wie die Bogestra oder die EVAG im Einsatz. Die dritte Generation steht an der Firmenspitze – und hat klare Pläne für die Zukunft.
Hof und Hallen sind wie leer gefegt. Lediglich ein einsamer Servicewagen steht einsatzbereit – und ein besonderes Duo fürs Foto: Einen Setra Kässbohrer Reisebus, Baujahr 1959 mit dem Charme der frühen Tourismus-Jahre und einen königsblauen Komfortriesen, den MAN-Tourbus für die zweite Schalker Mannschaft, hat Ulrich Nickel (49) aufgefahren. Ansonsten gilt: Alles ist unterwegs auf den Straßen des Reviers.
„Das ist der schönste Blick für einen Busunternehmer, wenn die Halle leer ist“, sagt Holger Machnik, Nickels 45 Jahre alter Cousin und Prokurist. „Das muss aussehen wie eine Estrich-Ausstellung“, scherzt der Chef. Und weiß: 60 Fahrzeuge allein am Standort Gelsenkirchen sind gerade auf der Piste. „Um 2 Uhr nachts sind wieder alle auf dem Hof, um 4 Uhr fahren die ersten wieder raus“, sagt Machnik. Insgesamt bewegt der Reisedienst 94 Fahrzeuge mit 119 Vollzeitkräften und 41 Teilzeit-Mitarbeitern – davon neun Reisebusse, 48 Linienbusse und eine ganze Flotte Kleinbusse. Und noch eine Zahl: 4 359 000 Kilometer Fahrstrecke kommen so vereint pro Jahr zusammen.
Klassischer Subunternehmer für Nahverkehrs-Betriebe
Die Firmen Wessels und Kossmann hat der Reisedienst Nickel in der Vergangenheit samt Personal und Geschäftsbeziehungen übernommen und mehr Stärke per Wachstum angestrebt. Nickel fährt „als klassischer Subunternehmer“ für die Bogestra und die Vestische genauso wie für die EVAG im Liniendienst, bewegt die Schalker Profis und, seit 2011 mit täglich wechselndem Fahrplan für zehn Kleinbusse, auch die Medicos-Patienten in der Region. „Der bleiben wir treu. Unsere Kernkompetenz liegt zwischen Dortmund und Duisburg", sagt Nickel. Fernbuslinien? Nicht sein Fall. „Das ist derzeit wie Wild-West. Da werden sich einige noch eine blutige Nase holen. Es kann mir keiner sagen, dass es sich rechnet, Leute für acht Euro nach Frankfurt zu fahren.“
Der Sparkurs, in dem viele ihr Heil suchen, ist ein Thema, das Nickelin auch als Schatzmeister des NRW-Verbands der Omnibusunternehmen in Wallung bringt. „Das Problem ist: Billig können wir nicht. Wir bilden aus, wir zahlen auch übertariflich. Wenn ich vernünftige Qualität will, muss ich auch vernünftigen Lohn zahlen. Daran darf unserer Meinung nach nicht gedreht werden. Unsere Mitarbeiter sind unser wichtigster Wettbewerbsfaktor, da können wir nicht am unteren Ende der Fahnenstange sein. Das funktioniert nicht, zumal wir künftig um gutes Personal konkurrieren werden.“
„Er ist groß, gesund und auch in der Lage, einen Omnibus zu fahren“
Nach Lehre und Studium hat er 1989 im Betrieb angefangen, seit 2001 ist er geschäftsführender Gesellschafter. Gegründet hat sein Großvater Johann Nickel 1930 die Firma als „Fuhrbetrieb und Handel mit landwirtschaftlichen Produkten. Der Senior verunglückte 1944 tödlich bei der Arbeit, sein 15 Jahre alter Sohn Hans brach darauf die Schule ab und stieg ins Unternehmen ein. Seine Mutter beantragte für ihn 1950 bei der Bezirksregierung in Münster die Ausnahmegenehmigung für einen Omnibusausweis. Nickel hatte eigentlich noch nicht das nötige Alter, aber er war, wie die Mutter schrieb, „groß, gesund und auch in der Lage, einen Omnibus zu fahren“.
In den 1950ern rollte die Reisewelle an. „Die Leute wollten weg fahren“, sagt Ulrich Nickel. Der 2011 gestorbene Hans Nickel hat das früh erkannt. Groß wurde der Betrieb aber mit dem Liniendienst. Für die RAG kutschierte Nickel zunächst Bergleute von Graf Bismarck zur Zeche Monopol in Kamen. Nickel: „Die Kumpels mussten nach der Verlagerung bewegt werden. Damit ging der Berufsverkehr los.“
Dieses Jahr werden sechs neue Fahrzeuge angeschafft
Das Geschäft mit der Essener Verkehrs AG will Nickel ausbauen und die Flotte entsprechend aufstocken. „Insgesamt werden wir dieses Jahr sechs neue Fahrzeuge anschaffen“, sagt der 49-Jährige. 3,5 Jahre Durchschnittsalter haben die Linienbusse bei Nickel. Damit das so bleibt, wird jedes Jahr siebenstellig investiert. Im Servicebereich sind fünf Nutzfahrzeugmechatroniker beschäftigt. Insgesamt, glaubt Nickel, sind die Privaten schlank aufgestellt. „Bei kommunalen Betrieben kann man den Faktor drei davor setzen“.
Mit Ulrich Nickel, Holger Machnik, dem Neffen des verstorbenen Seniors, und Marion von Truczynski-Nickel, die das komplette Lohnwesen betreut, ist die Betriebsspitze in Familienhand. Familiär war auch immer die Beziehung zu Schalke 04, auch wenn die Handschlag-Vertragszeiten der Assauer-Ära vorbei sind. Seit 1986 bringt der Reisedienst die Fußballprofis auf Touren. Nickel sieht’s bescheiden: „Die langjährige Partnerschaft mit Schalke stellt sicher eine gewisse Referenz dar. Das ist schon schön.“
Seit der Einführung der Schadstoffplaketten hat man beim Reisedienst Nickel 80 % des Fahrzeugparks erneuert, „um den Auflagen gerecht zu werden.“ Die mit Technik vollgestopften neuen Fahrzeuge verbrauchen übrigens mehr Treibstoff („pro Umweltstufe zwei Liter mehr“) als ältere „Stinker“. Nickel: „Wir können maximal 130 000 Liter bunkern. 2012 haben wir 1,2 Mio. Liter verbraucht. Ich fahre an keiner Tankstelle vorbei, ohne auf den Preis zu gucken.“