Gelsenkirchen.

Die Selbstwahrnehmung vieler Fußballfans und ihre Darstellung in den Medien liegen oft weit auseinander. Im Rahmen des Schalker-Fanprojektes referierte der Journalist Andrej Reisin zum Thema im Tossehof.

Das Revierderby ist nicht lange her und das Bild von den Dortmunder Unruhestiftern noch im Gedächtnis – seither ist die Debatte über Fußball und Gewalt neu entfacht. Die Öffentlichkeit sieht sich einer Bedrohung ausgesetzt, Fans fühlen sich missverstanden. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz? Andrej Reisin liefert im Tossehof Erklärungsansätze. „Sogenannter Journalismus – die mediale Darstellung von Fußballfans“, lautete der Titel der Veranstaltung des Schalker Fanprojektes.

Mai 2012. Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC, Endstand: 2:2. Düsseldorf war damit nach langen Jahren zurück in Liga 1. „Ein trauriger Abend – Ausschreitungen überschatten Fortuna-Aufstieg“, titelte die Süddeutsche Zeitung. Was Grund zur Freude sein sollte, entwickelte sich zum Ausgangspunkt einer hitzigen Debatte über Gewalt im Fußballstadion. Schon vor dem Abpfiff stürmten Fortuna-Fans auf den Platz – Chaos pur. Das Bild, das Reisin an die Wand wirft, zeigt: Zwei Jungs, vielleicht zwölf Jahre alt, die im Freudentaumel ein Stück des Rasens ergatterten.

Belastende Nebeneffekte

Für ihn sehe das nicht aus, als seien die Jungs Teil einer Gewaltorgie, sagt Reisin. „Ich will in keinem Fall Gewalt gutheißen. Das Bild, das die Medien von Fußballfans konstruieren, ist allerdings häufig skandalisierend“, erklärt er. Die Gründe seien vielfältig: Der Journalismus stehe etwa unter steigendem Zeit- und Kostendruck. Wenn ein Sportjournalist über die Geschehnisse abseits des Platzes berichten soll, sei die Polizeimeldung oft eine erste Quelle. „Und dabei belässt man es dann häufig. Für Recherche sind weder Zeit noch Geld vorhanden“. Der journalistische Anspruch, denjenigen eine Stimme zu verleihen, die sonst nicht gehört werden, gehe verloren. „Andererseits haben viele Sportjournalisten gar kein Interesse daran, die Problematik zu beleuchten“. Als Spezialisten sähen sie sich für den Sport zuständig. Randerscheinungen seien belastende Nebeneffekte.

„Was können Fans tun?“, fragt ein Besucher? „Mit der Pressearbeit der Polizei können auch organisierte Fans nicht konkurrieren“, glaubt Reisin. Wenn aber Ultras ihre Blockadehaltung, die häufig jeglichen Medien gegenüber vorhanden sei, überdenken würden, könnten sie ihre Interessen besser vertreten. „Es gibt ja Journalisten, die sich dem Thema annehmen“. Auch die Vereine sieht er in der Pflicht: Das Beispiel Saloniki, bei dem sich der FC Schalke 04 schnell und deutlich gegen den Polizeieinsatz positionierte, zeige Wirkung: „Da hat sich die Debatte schnell gedreht und dann kommt auch mal die Polizei in Erklärungsnot“.