Gelsenkirchen. .

Nach 45 Jahren will sich Erika Kwiatkowski von dem Ort trennen, der untrennbar mit dem Freizeitleben der Familie verbunden ist: Scholle Nr. 12 auf dem Schwarzbachgelände des Kleingartenvereins (KGV) Gelsenkirchen-Süd. Die 69-jährige Witwe des 2012 verstorbenen Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Behindertenverbände, Karl-Heinz Kwiatkowski, schafft die Arbeit im 366 Quadratmeter großen Garten einfach nicht mehr. Also hat sie im Juni ihre Parzelle gekündigt.

Damit hat sie allerdings ungewollt ein weiteres Kapitel im unendlichen Buch über die hanebüchen Folgen des Paragraphen 3 im Bundeskleingartengesetz eingeleitet.

Der Reihe nach: Die beiden Herren vom Stadtverband der Kleingärtner, die am 9. August zwecks Wertermittlung in Garten Nr. 12 anrückten, „waren nett und freundlich und haben gesagt, die bebaute Fläche sei etwas über 30 Quadratmeter. Vielleicht haben sie ja Glück“, erzählt Erika Kwiatkowski den Ablauf.

Vordach abgebaut

Das Vordach der exakt 17,97 m² großen Laube musste sie anschließend entfernen lassen. Das soll nun aber auch mit zwei weiteren Bauten geschehen: das winzige WC-Häuschen (2,18 m²) und der Stall (14,77 m²) müssen verschwinden. Das war das Ergebnis einer zweiten Gartenbesichtigung durch den Vorsitzenden des Stadtverbands der Kleingärtner, Franz Theilenberg, und Reiner Garding von Gelsendienste.

„Die kamen, als ich im Urlaub war“, empört sich die 69-Jährige. „Die sind einfach über das Tor geklettert.“ Das habe ihr Frank Weller vom Vorstand des KGV-Süd erzählt. Der, wie er auch gegenüber der WAZ bestätigt, vor dem Tor stehen blieb, weil er meinte, nicht das Recht zu haben, in Abwesenheit der Besitzerin deren Grundstück zu betreten. Hat er aber doch, wie Gelsendienste-Sprecherin Stefanie Genthe auf Nachfrage sagt. „Verein und Gesamtverband haben ein Kontrollrecht und dürfen auch in Abwesenheit des Pächters in den Garten.“ Im übrigen betont sie, dass Gelsendienste nur auf ausdrückliche Bitte zur einer Besichtigung komme.

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Nach Erika Kwiatkowskis Rückkehr passierte zunächst nichts. Bis dann am 15. Oktober die Niederschrift der ersten Begutachtung kam. Für Erika Kwiatkowski niederschmetternd. Natürlich kann sie keine Baugenehmigung für Klo-Häuschen und Stall vorlegen. Da habe doch vor 45 Jahren keiner drüber nachgedacht. Stattdessen sollen die Abrissarbeiten jetzt summa summarum 1554,60 Euro kosten.

Neuer Besitzer kann Bauantrag stellen

„Ich würde noch 259,04 Euro heraus bekommen“, sagt sie. Besonders bitter: „Wäre die Anlage am Stück gebaut worden, dann könnte ich alles so lassen“, zitiert sie Franz Theilenberg. Vereinsvorsitzender Weller bezweifelt das allerdings. „Es gibt bei uns in der Anlage Gebäude, die halbiert wurden, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre“, hält er dagegen.

„Wir haben Gesetze, über die wir uns nicht hinweg setzen können“, beantwortet Franz Theilenberg die Frage, ob man im Einzelfall nicht einfach mal alle Sieben gerade sein lassen kann. Der Garten sei Frau Kwiatkowskis Eigentum. „Das muss sie so verlassen, wie der Gesetzgeber es vorsieht.“ Bestandsschutz bestehe lediglich für die Laube. Zur Klo-Frage stellt er fest, der neue Besitzer könne ja einen Bauantrag stellen und ein WC anbauen. Für die 69-Jährige bleibt neben dem bitteren Beigeschmack über den gesamten Vorgang noch etwas anderes: Enttäuschung über den menschlichen Umgang ...