Gelsenkirchen..

Eine antike französische Pendeluhr aus dem 19. Jahrhundert zeigt stilecht an, was die Stunde geschlagen hat. Und hier, in der Buchhandlung Junius an der Sparkassenstraße, schlägt heute, am 1. Oktober, eine ganz besondere Stunde: Dann nämlich feiert der Laden seinen 75. Geburtstag. Kurz vor Zwölf ist es für dieses Unternehmen trotz harter Konkurrenz durch Großhändler und Internet noch lange nicht. Der Laden läuft und läuft.

Inhaberin Sabine Piechaczek kennt die Buchhandlung seit nunmehr 35 Jahren wie ihre Westentasche. 1978 begann die gebürtige Feldmarkerin und heutige Bueranerin ihre Lehre bei Lothar Junius, dessen Teilhaber sie 1998 gemeinsam mit Peter Wöhrl wurde. 2006 schied Namensgeber Junius endgültig aus. Die 55-jährige Inhaberin lenkt die Buchhandlung zusammen mit ihrem fünfköpfigen Team mit viel Liebe, Geschick und Engagement, „Dinge, ich ich von Junius gelernt habe“. Die Gründung des Unternehmens ist bekannt und liegt doch irgendwie im Dunkeln: Es war Buchhändler Josef Kirschbaum, der die Firma im Jahre 1938 gründete. Die Eintragung ins Handelsregister lautete „Neue Buchhandlung Josef Kirschbaum“.

Erster Firmensitz möglicherweise Am Rundhöfchen

Wer aber Josef Kirschbaum war, darüber hat Sabine Piechaczek bis heute fast keine Informationen. Über das Online-Portal „Gelsenkirchener Geschichten“ versuchte sie mit Hilfe eines Aufrufes Näheres zu erfahren. Mit mäßigem Erfolg. Piechaczek: „Eine Kundin, die mit Kirschbaums Tochter die Schule besucht hat, meint, dass die Kirschbaums eine alte, sogenannte gut katholische“ Bueraner Familie waren.“ Erster Firmensitz soll nicht, wie bislang vermutet, die Klosterstraße, sondern Am Rundhöfchen gewesen sein. „Während des Krieges soll der Buchverkauf fast ohne Unterbrechungen weitergegangen sein.“

1960 übernahm der Gelsenkirchener Lothar Junius die Buchhandlung an ihrem heutigen Sitz an der Sparkassenstraße 4. Ganze 45 Jahre lang prägte der Buchhändler als Kulturvermitteler die Kunst- und Literaturszene der Stadt. Dieses Engagement hat Sabine Piechaczek bei ihrem einstigen Chef schätzen gelernt und übernommen: „Eine Buchhandlung ist weit mehr als ein Verkaufsraum.“ So bietet auch sie heute auf rund 140 Quadratmeter Ladenfläche viele Veranstaltungen an, Lesungen, Buchvorstellungen, Vorträge und inzwischen sogar einen Schalke-Frühschoppen.

Konkurrenz durch das Internet ist groß

Als Sabine Piechaczek in den Beruf einstieg, da blühte der Buchhandel: „Die Umsätze wuchsen ständig.“ Später gesellten sich die Riesen der Branchen zu den kleinen alteingesessenen Buchläden: „Aber noch größer als diese Konkurrenz ist die durch das Internet.“ Die Buchhändlerin hält dagegen, mit persönlichen Kontakten und einer guten Vernetzung in der Stadt: „Als Kunde kann man sich zudem im Laden inspirieren lassen, von einem schönen Cover zum Beispiel, oder vom Rat des Buchhändlers.“ Viele Stammkunden schätzen diesen persönlichen Service: „Wir haben eine sehr treue Kundschaft, da kommen inzwischen ganze Generationen einer Familie zu uns.“

In 75 Jahren unterzog sich natürlich auch das Angebot einer Buchhandlung einem großen Wandel: „Gerade in den letzten Jahren verkaufen wir kaum noch Reiseliteratur oder Straßenkarten, das gibt’s alles online.“ Dafür bekommt man bei Junius eine gute Auswahl an religiösem Kunstgewerbe. Bislang ist die Buchhandlung in ihren 75 Jahren so unverwüstlich wie die Pendeluhr aus dem Jahre 1870. Sabine Piechaczek: „Sie ist uns ein echtes Vorbild.“