Die heiße Phase im Bundestagswahlkampf hat spätestens am Dienstag begonnen. Auf Einladung der christlichen Sozialverbände lieferten sich die fünf Gelsenkirchener Kandidaten von CDU, SPD, Grüne, FDP und Linke einen offenen Schlagabtausch. Beim Wahlcheck aus christlicher Sicht im Gemeindehaus St. Joseph in Ückendorf wurde drei Wochen vor der Wahl der Ton auf dem Podium mitunter rau.

100 Zuhörer beim Schlagabtausch

Über 100 Besucher wollten sich das Stelldichein der Bundestagskandidaten nicht entgehen lassen. Auf Kärtchen konnte das Publikum gezielt Fragen stellen. „Wir sind froh, dass alle Kandidaten persönlich da sind in nicht irgendeinen Vertreter geschickt haben“, freute sich Klaus Wehrhöfer, Vorsitzender der Kolpingsfamilien. Gemeinsam mit der Katholischen und Evangelischen Arbeitnehmerbewegung, der Katholischen Frauen Deutschlands, dem Industrie- und Sozialpfarramt und dem Meister- und Gesellenverein hatte Kolping eingeladen. „Und es muss keiner denken, dass hier eine Partei ein Heimspiel hat“, so Wehrhöfer im Vorfeld. In der Tat: Pfarrer Dieter Heisig, der die Diskussion gekonnt lenkte, nahm Oliver Wittke (CDU), Irene Mihalic (Grüne), Ingrid Remmers (Linke), Marco Buschmann (FDP) und Joachim Poß (SPD) von Anfang an ins Kreuzverhör. Nur eine Minute hatten die Kandidaten Zeit, um zunächst auf Fragen der Verbände zu antworten. Für komplexe Probleme wenig Zeit, aber für einen Kandidatencheck ein guter Einfall. Stoppuhr, gelbe und rote Karten erinnerten die Politiker an ihr 60-Sekunden-Korsett.

Christdemokrat Wittke musste sich kritischen Fragen zum Gelsenkirchener Appell stellen. Während Wittke der SPD vorwarf, das Thema gegen die Absprachen zum Wahlkampfthema gemacht zu haben, forderte ihn Joachim Poß auf, seinen Einfluss in Berlin stärker geltend zu machen. Wittke und Buschmann hoben die Erfolge der Bundesregierung am Arbeitsmarkt, allen voran die Erwerbsquote, hervor. Wobei Marco Buschmann auch zu den Themen „Aufstocker“, Minijobs und befristete Arbeitsverhältnisse Stellung nehmen musste. Kritik entgegnete der Jurist häufig mit vor Ort schwer prüfbaren Zahlen. Das kam beim Publikum nicht immer an. Auch Sätze wie „Wer sein Feld bestellt, wird satt ernten“ oder „80 bis 90 Prozent der Minijobber verdienen deutlich zweistellige Stundenlöhne“ sorgten für Raunen im Saal.

Viel Applaus erntete der Liberale beim Thema Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien. Wittke und Mihalic lieferten sich dazu einen offenen Schlagabtausch, Poß bot den Verbänden wegen der Komplexität einen separaten Gesprächstermin an. Dass das Thema schnell emotional wird, zeigte Ingrid Remmers Vergleich: „Man muss sich anschauen wie Sinti und Roma in ihrer Heimat behandelt werden. Die sind fast so verfolgt wie die Juden vor dem zweiten Weltkrieg.“ Neben lokalen Themen, zu dem auch der Nichtbau der A 52 oder die Ikea-Ansiedlung gehörten, brannten den Besuchern Fragen zu Familie, Elterngeld und Altersarmut auf den Nägeln. Der vermeintlichen Außenseiterin in christlichem Hause, Irene Mihalic gelang es dabei auffallend oft, Applaus zu ernten. Jedoch, mehr als ein Check ohne viel Tiefe war der 90-minütige Abend eh nicht.