Stimmen, die im Kopf schwirren, depressive Stimmung, die auf einem Kaufrausch folgt: Für viele Menschen ist dies Alltag, denn sie leiden unter einer psychischen Erkrankung. In einem Film des Sozialwerkes St. Georg werden diese psychischen Störungen sichtbar gemacht. Erkrankte stellen sich als Protagonisten vor die Kamera und versuchen den Zuschauern zu zeigen, was sie täglich hören, sehen und spüren.

Anja Kretschmer können Kleinigkeiten rasend vor Wut machen, sie leidet unter dem Borderline-Syndrom. Gefühlsausbrüche gehören ebenso zum Krankheitsbild wie das Schwarz-Weiß-Denken. „Außerdem verhalte ich mich manchmal gegensätzlich zu dem, was ich will“, erklärt sie im Film. Die Krankheit ging bei ihr soweit, dass sie sich an manchen Tagen noch nicht einmal im Spiegel wiedererkannt hat. „Man hat keine echte Identität, weil man jeden Tag anders zu sich steht.“ Sie ist eine von fünf Hauptdarstellern, die über ihre Krankheit sprechen. Weitere Themen sind etwa Schizophrenie, Depressionen und Bipolare Störungen.

„Ich musste oft schlucken. Der Film ist schon irgendwie hart“, sagt eine Zuschauerin. Ilse Kozmic ergänzt: „Man sieht es denen ja nicht an, das sie krank sind.“ Die beiden Frauen kamen gemeinsam in die St. Anna-Kirche. Sie wohnen in der Nachbarschaft zu dem Sozialwerk und sehen die Betroffenen jeden Tag. Der Film regt die Zuschauerinnen zum Nachdenken an, so blicken sie ein Stück weit hinter die Fassade der Menschen, denen sie jeden Tag in begegnen.

Genau das ist das Ziel des Films. „Wir möchten, dass die Zuschauer das Verhalten der Erkrankten verstehen und wissen, was wir überhaupt mit unserer Arbeit machen“, berichtet Martina Lange vom Sozialverband St. Georg für den Geschäftsbereich Ruhrgebiet. Die Idee entstand bereits 2010. In der Therapiestunde wollten gerade junge Klienten von ihrer Krankheit erzählen. Schnell war mit dem Münsteraner Benno Haus ein Kooperationspartner für den Dreh gefunden. Drehbuch und Musik entstanden aus der Feder der Erkrankten. In einer Woche war der Film gedreht und wurde in den vergangenen drei Jahren ausschließlich intern gezeigt. Nun soll auch die Öffentlichkeit informiert werden. „Vielleicht gibt es weitere Möglichkeiten, den Film zu zeigen“, bietet Martina Lange an.

Für Anja Kretschmer hat sich der Dreh gelohnt. „Am Anfang war es komisch“, sagt sie. „Doch dann merkte ich, wie sehr mich das Reden befreite.“