Gelsenkirchen. . Da die Prostituierten am Gelsenkirchener Straßenstrich ihre Dienste anscheinend nicht nur in den dort geparkten Wohnwagen, sondern auch im Freien anbieten, sind immer mehr Gelsenkirchener Bürger verärgert. Für die Verantwortlichen der Stadt ist diese Sachlage neu. Sexdienste in den Wohnwagen seien legal, im Freien selbstverständlich nicht.

Von einer Begegnung der unheimlichen Art berichtet WAZ-Leserin Tanja Hansen. Sie ging am Sonntag um 17 Uhr mit ihrer achtjährigen Tochter auf der Bickernstraße am Consol-Park spazieren, als es in einem Gebüsch neben dem Gehweg laut wurde. „Da haben zwei am helllichten Tag eine Nummer geschoben“, empört sich die Mutter, die die Szene kaum in Worte fassen konnte. Sie, und mehr noch ihre Tochter, seien geschockt und verstört gewesen. „Es ist schon eine Zumutung für uns“, schimpft die Gelsenkirchenerin, „dass Prostituierte dort in Wohnwagen am Straßenrand ihre Dienste anbieten, aber Sex in aller Öffentlichkeit, und dann noch in der Nähe der Trendsportanlage mit den vielen Kindern, das geht eindeutig zu weit.“

Ekelige Hinterlassenschaften

Ihrem Unmut über die Zustände vor Ort, insbesondere über die Ekel erregenden Hinterlassenschaften nach dem Sex, hat Tanja Hansen mit einem Anruf bei der Stadt Luft gemacht. „Man versprach mir, der Sache nachzugehen“, sagt die Anwohnerin. Viel Hoffnung auf Änderung habe sie aber nicht.

In der Tat handelt es sich um ein altes Problem, ist der Handlungsspielraum von Politik und Polizei eingeschränkt. Schon 2011 verlief eine von der FDP initiierte Unterschriftenaktion in punkto Straßenstrich Schloss Berge/Adenauerallee im Sande. Immerhin: das Sexmobil (Wohnwagen) verschwand, die „Bordsteinschwalben“ aber blieben, trotz Kinderklinik und Altenheim im Umfeld. Und erst kürzlich zog Dortmund, das den Straßenstrich stadtweit verbieten wollte, vor Gericht den Kürzeren.

„Diese Ausmaße der Situation in Bismarck sind uns so nicht bekannt“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann. Prostitution an Bickernstraße und Adenauerallee gäbe es schon seit Jahren und sei auch geduldet. Die Sexdienste in den Wohnwagen seien legal, im Freien selbstverständlich nicht. „Wenn die Schilderungen stimmen, so ist das nicht mehr zumutbar.“

Pläne von Seiten der Verwaltung, den Prostituierten ein abgesperrtes, nicht einsehbares Areal zur Verfügung zu stellen, gebe es derzeit nicht. Der Aufwand dafür sei hoch, hieß es, nicht zuletzt könnten dadurch noch mehr Frauen aus dem Gewerbe angezogen werden. Das wolle man vermeiden.

„Wir kontrollieren die Prostituierten oft“, sagt Polizeisprecherin Stefanie Dahremöller. Die Beamten hätten dabei strafrechtliche Dinge wie Minderjährigkeit, Menschenhandel und illegalen Aufenthalt im Blick. Mehr nicht. Und: Sex im Freien an der Bickernstraße sei schon öfters von der Polizei unterbunden worden. „Es handelte sich dabei meistens um Paare, die einmal draußen den Kick suchten.“

Pro: Legal ist sicherer für alle 

Prostitution ist keine Ausnahmeerscheinung. Im Gegenteil. Studien gehen davon aus, dass fast die Hälfte aller Männer einmal im Monat die Dienste professioneller Damen in Anspruch nehmen. Auch wenn die Zahl zu hoch greifen sollte: Es sind definitiv viele Männer, aus verschiedensten Bevölkerungsschichten. Nicht umsonst ist das älteste Gewerbe der Welt heutzutage auch ein legales.

Um diese Legalität zu unterstreichen und um Frauen wie Männer zu schützen – nebst der unbeteiligten Öffentlichkeit – ist der beste Weg, offizielle Stellplätze für diese Wohnwagen oder auch Häuser anzubieten. Im geschützten, kontrollierten Raum. Dann gibt es vielleicht mehr sichtbares Gewerbe. Aber weniger unsichtbare Opfer. (sira)

Contra: Ein Areal zöge noch mehr an 

Begegnungen der unheimlichen Art zu vermeiden, hilft ein abgetrenntes „Verrichtungsarreal“, auf dem die Wohnwagen der Sexarbeiterinnen stünden, schon. Die Frage ist nur: Stehen Aufwand und Nutzen in einem gesunden Verhältnis. Solch’ einen diskreten Ort einzurichten, dürfte für die klamme Stadt mit Kosten verbunden sein – Fläche, Zäune, Sichtschutz etc. Und zum anderen könnte solch’ ein Arreal gerade den Zuzug noch weiterer Prostituierter mit ihren Anhängern nach sich ziehen. Wer mal in Essen an entsprechender Stelle der B224 nur eine Viertelstunde den Verkehr beobachtet hat, der weiß, die Kundschaft kommt zu Hunderten von überall her. Ob man/frau das in der Nachbarschaft haben will? Wohl kaum. (kim)