Gelsenkirchen/Düsseldorf. Der Leiter des Gelsenkirchener Gefängnisses muss seinen Posten räumen. Der öffentliche Druck wegen zweier mutmaßlicher Missbrauchsfälle hinter Gittern war offenbar zu groß geworden.

Die Anstaltsleitung der JVA Gelsenkirchen ist abberufen worden. Dies beschloss NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) am Freitag unter dem Druck anhaltender Vorwürfe über skandalöse Zustände in dem der Justizvollzugsanstalt (JVA). „Mit der neuen Führungsspitze, die an ihren bisherigen Wirkungsstätten Hervorragendes geleistet hat, ist die Grundlage für einen unbelasteten Neuanfang geschaffen”, erklärte die Ministerin.

Nachfolger: der bisherige Leiter der JVA Castrop-Rauxel

NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU). Foto: ddp
NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU). Foto: ddp © ddp

Für Ruhe im Skandalgefängnis soll der bisherige Leiter der JVA Castrop-Rauxel, Julius Wandelt sorgen – zusammen mit einem Psychologen und einem Juristen. Schon Montag soll Wandelt seinen Dienst antreten. Den alten Anstaltsleiter hat Müller-Piepenkötter zunächst zu sich ins Ministerium geholt, bevor er „eine andere Aufgabe im Justizvollzug übernehmen” soll.

Nach dem Bekanntwerden von mutmaßlichen Missbrauchsfällen in der JVA hatte es in den vergangenen Monaten mehrfach massive Beschwerden vom Anstaltsbeirat über die bisherige Führung gegeben. Der breiten Öffentlichkeit war Ende letzten Jahres bekannt geworden, dass ein Häftling von seinen beiden Zellengenossen in einer Vierer-Zelle grausam misshandelt und zum Selbstmord aufgefordert worden sein soll. Wenig später wurde ein Mitarbeiter suspendiert, weil er angeblich pornographische Aufnahmen von weiblichen Gefangenen ins Internet gestellt haben soll.

"Da ist nichts gekommen"

Die Anstaltsleitung, seit 2002 im Amt, geriet in die Kritik, weil sie lange gezögert haben soll, die Fälle anzupacken. Die Öffentlichkeit wurde nur unter Druck und scheibchenweise informiert, glaubt man den Aussagen von Gefängnismitarbeitern und Ex-Häftlingen.

Darüber beklagen sich auch Mitglieder des JVA-Beirats: „Wir haben wegen der Misshandlungen immer wieder nachgefragt. Da ist nichts gekommen”, erklären sowohl Barbara Filthaus (SPD) als auch Günther Brückner (CDU). Der Anstaltsleiter bestreitet dieses. „Wir haben alle gravierenden Fälle von Missbrauch offen gelegt”, erklärt er.

Das Protokoll der Sitzung des JVA-Beirates vom 14. April 2008, das der WAZ vorliegt, gibt Hinweise: „Der Anfangsverdacht eines Missbrauches auf einem Vierer-Gemeinschaftsraum wurde frühzeitig erkannt und sofort darauf reagiert (...) Die Aussagen der einzelnen Inhaftierten sind sehr unterschiedlich, und bis dato ist es noch unsicher, ob es wirklich zu einem Missbrauch gekommen ist.” Auf konkretere Nachfragen, so geht aus dem Papier hervor, habe die Anstaltsleitung lediglich geantwortet: „Das ist uns nicht bekannt.”

Tischtuch zerschnitten

Die Abberufung der Anstaltsleitung sei „eine richtige Entscheidung. Sie war allerdings überfällig”, kommentiert Markus Töns, Gelsenkirchener SPD–Landtagsabgeordneter und Mitglied des JVA-Beirates. „Das Tischtuch zwischen der Anstaltsleitung und dem Beirat war seit langem zerschnitten.” Die Probleme in dem Gefängnis durch hohe Krankenstände, Mobbing und schlechter Gefangenen-Behandlung seien seit über zwei Jahren bekannt gewesen. Die „gravierende Schwäche” der alten Anstaltsleitung sei es gewesen, „die Probleme im Haus nicht beseitigt zu haben”. Bei Nachfragen des Beirates sei gemauert worden. Töns: „Da war vieles nicht in Ordnung”.

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