Gelsenkirchen. Sommerabende sind zum Träumen da - zum Wachträumen und Lauschen auf verführerische Melodien. Zumal, wenn der Zuhörer sie vor solch idyllischer Kulisse wie der Wasserburg Lüttinghof hört.

Naturgeräusche inbegriffen: Als Kornél Györi den Taktstock hebt und die ersten Klänge des Scherzos aus Mendelssohns „Ein Sommernachtstraum“ ertönen, quäkt ein aufgeregtes Teichhuhn. Eine Zuhörerin zischt ein mahnendes „Ssscht“ Richtung Wassergraben.

Knapp 700 Zuhörer aus nah und fern hat die Klassiknacht angelockt. Die intime Atmosphäre des Burghofs, der mit einem riesigen Schirm überspannt ist, die kulinarischen Köstlichkeiten, der Duft von Blumen und Bäumen und überall Musik – es ist diese Kombination, die den Zauber der Veranstaltung ausmacht.

Ein perfekter Ort

„Was für ein perfekter Ort für ein Klassikkonzert unter freiem Himmel“ ist ein Satz, der an diesem Abend immer wieder fällt. Erkannt und gefördert hat dies „Burgherr“ Carlo Philippi. Er wolle das Haus neuem Leben „beglücken“, kulturell etwas für die Region tun, erläutert er und verrät, dass er zuvor eine private Wette abgeschlossen habe. „Sind nach der Pause über 30 Leute gegangen, habe ich verloren.“ Bürgermeister Frank Baranowski erinnert daran, dass zwei, drei Kilometer weiter eine große Industrieanlage ist. „Es ist diese Kombination von Industrie und Idylle, die das Ruhrgebiet ausmachen.“

Das Orchester aus Pécs präsentiert ein kontrastreiches, mitreißendes Programm, das nicht anstrengt beim Zuhören, aber auch nicht nur dahinplätschert. Nach Mendelssohn bringt Wagners 20-minütiges „Siegfried-Idyll“ das Publikum vollends auf die Seite der ungarischen Musiker und ihres Dirigenten. Seit zwei Wochen touren sie durch’s Ruhrgebiet, aber heute spiele man dank des wunderschönen Ortes „am inspiriertesten“, sagt die erste Geigerin in der Pause. Leider schätzen diese Inspiration nicht alle Zuhörer und verhalten sich wie in einem Biergarten.

Für das 1. Klavierkonzert op. 15 von Brahms erhält das Orchester Unterstützung von dem Tschaikowsky-Preisträger Oleg Poliansky. Der Moderator des Abends verspricht eine Musik mit „ganz viel ungarischem Pfeffer“. Die Musikfreunde lehnen sich zurück und genießen. Als zum Schluss die Bühnenscheinwerfer aufleuchten, der Beifall kein Ende nehmen will und die Sonne hinter den Bäumen versinkt, wünscht sich mancher eine Fortsetzung der Klassiknacht. Carlo Philipp hat die Wette übrigens nicht verloren.