Gelsenkirchen. . Sie wollen verzweifelten Altersgenossen helfen. Online, über E-Mailkontakt, der über eine Website hergestellt wird. Ehrenamtlich und verantwortungsbewusst wie sie sind, bereiten sich die 25 Mädchen und Jungen zwischen 16 und 25 Jahren derzeit bei der Caritas auf diese Aufgabe vor.

Schokolade soll den Mädchen und Jungen im schwülen Schulungsraum der Caritas das Büffeln derzeit erleichtern. Süßes gilt ja gemeinhin als Nervennahrung. Doch beeindruckend viel Rückgrat beweisen die 25 ehrenamtlichen Helfer (16-25 Jahre) auch ohne gezuckerte Gaumenfreuden. Denn am 23. Mai nehmen sie ihre Arbeit als „Peer“-Berater auf. Heißt: Sie werden erstmals per Mail in Kontakt treten mit gleichaltrigen Jugendlichen, die sich in (Lebens-)Krisen befinden oder sich sogar mit Selbstmordgedanken tragen. Ein bundesweit einmaliges Projekt – die so genannte U25-Beratung.

Schulung von Experten

Zuvor heißt es noch, die Schulbank zu drücken. Zweimal die Woche schult Projektleiterin Vivien Bredenbrock vom Caritasverband Gelsenkirchen die Jugendlichen, im Hintergrund weitere Experten wie Psychologen, Erzieher, Sozialpädagogen. Thema heute: Selbstverletzendes Verhalten (SVV).

Während andere Gleichaltrige die ersten Barbecue-Partys steigen lassen oder im Freibad abhängen, brüten Sanya Kolan (17) und Jackie Klatt (16) über einer Übungsmail. Wortfetzen wie „wird immer schlimmer“, „traurig und völlig leer“, „Angst“ oder „mag nimmer so weiter leben“ von Melanie haben ihre ganze Aufmerksamkeit. Melanie, ein Mädchen, das sich aus Einsamkeit, sozialer Isolation oder auch aus Selbsthass mit dem Messer tiefe Schnitte zufügt, mitunter wie in Trance, um sich Erleichterung zu verschaffen von dem Alb, der sie zu erdrücken droht.

„Wir versuchen, uns zunächst in den Menschen hineinzuversetzen“, erklären die Mädchen ihre Herangehensweise. Und weil die Mail mehr Fragen als Antworten aufwirft, setzen sie ein längeres Rückschreiben auf. „Wir müssen erst einmal ergründen, was passiert ist, welche Probleme das Mädchen hat, und ob sie schon an Selbsttötung gedacht hat“, erklären sie. Das Ziel: Hilfesuchende durch ihre schwierige Zeit zu begleiten, sie zu unterstützen und ihnen eine lebensbejahende – ihre – Perspektive aufzuzeigen; denn unter „Peer“ versteht man einen „Gleichrangigen“, also ein (anonymes) Beratungsangebot auf Augenhöhe.

Zu den Schreibübungen kommt jede Menge Theorie, darunter zum Beispiel die vielen Arten der Selbstverletzung (Verbrennen, Verätzen, Verbrühen etc.), die entsprechenden psychologischen Erklärungen dazu sowie Zahlen und Daten – etwa die, dass bundesweit 1,2 Millionen Menschen von SVV betroffen sind. Ein schweres Sujet, das alles. Und eine echte Herkules-Aufgabe. Warum sie das tun? „Ganz einfach. Lasten tragen sich gemeinsam einfacher, im umgekehrten Fall wären wir doch auch heilfroh, uns im Vertrauen an jemanden wenden zu können, der uns hilft“, sagen Sanya und Jackie. Echt beeindruckend.

Kontakt über das Internet

Die U25-Beratung ist über www.u25-gelsenkirchen.de zu erreichen. Gelsenkirchen deckt den Bedarf im Westen ab, weitere Standorte sind Freiburg, Berlin, Dresden und Hamburg.

Das Spendenkonto: Caritasverband Gelsenkirchen, Sparkasse Gelsenkirchen, Kontonummer 101 167 776, Bankleitzahl 420 500 01, Stichwort: U25.