Gelsenkirchen. Nach der Insolvenz des preisgekrönten Gelsenkirchener Fan-Projekts „Dem Ball is egal, wer ihn tritt” werfen sich Vorstand Yves Eigenrauch und Projekt-Chef Bodo Berg gegenseitig vor, fürs Scheitern verantwortlich zu sein.
„Dem Ball is egal, wer ihn tritt”, heißt das preisgekrönte Fanprojekt. Yves Eigenrauch ist allerdings nicht egal, wer es vor die Wand gefahren hat. Im WAZ-Gespräch nennt der Ex-Schalke-Profi und Vereins-Vorstand Details, die zur Insolvenz des Projekts (wir berichteten) geführt haben sollen. Dabei gesteht er eigene Fehler ein; hauptverantwortlich, betont er, sei aber der Projektleiter Bodo Berg. Der weist die Vorwürfe zurück.
Grund für die Schulden im „unangenehmen fünfstelligen Bereich” – nach WAZ-Informationen sind es 35 000 € – sei eine „unbeabsichtigte Misswirtschaft”, hatte Eigenrauch zunächst erklärt. Heißt: Bei einer Ausschreibung habe sich der Projektleiter „verrechnet” und so für erheblichen finanziellen Schaden gesorgt. Außerdem habe Berg eigenmächtig gehandelt, die Bücher nicht ordnungsgemäß geführt und keine Daten für die Zukunft vorgelegt; so sei eine finanzielle Planung nicht möglich gewesen, sagt Eigenrauch. Mutwilliges Handeln unterstellt er dem Projekt-Verantwortlichen ausdrücklich nicht. Der zweiten hauptamtlichen Kraft des Projekts, stellt er klar, habe der Vorstand „nicht das Geringste vorzuwerfen”: Sie habe sich „in keinster Weise schuldig gemacht”.
Teilschuld sieht Eigenrauch bei sich selbst
Eine Teilschuld sieht Eigenrauch dagegen bei sich selbst. Seit 2007 ist er im Vorstand, und in dieser Zeit habe er dem Projektleiter zu sehr freie Hand gelassen, sprich: dessen Arbeit nicht in dem Maße kontrolliert, wie es nötig gewesen wäre. „Das war naiv”, sagt Eigenrauch. Er fürchtet nun, dass er und das zweite Vorstandsmitglied persönlich haften müssen und finanziell Schaden nehmen.
Das Aus für „Dem Ball is egal” sei nicht abzuwenden. Der Schuldenberg drücke, bei Partnern wie dem DFB sei der Verein in Misskredit geraten. Außerdem flössen Mittel immer sparsamer, setzten Verbände und Vereine doch zunehmend auf eigene Anti-Rassismus-Initiativen.
Berg sieht Versäumnisse
Das sieht Bodo Berg, der Verantwortliche im (ehemaligen) „Dem Ball is egal”-Büro an der Dickampstraße, ganz anders. Eine Konsolidation wäre möglich gewesen, wenn sich Vorstand und Mitarbeiter an einen Tisch gesetzt hätten. Das aber, sagt er der WAZ, sei an der Vereinsspitze gescheitert. Die beiden Vorstände, so Berg, seien zwischenzeitlich von ihren Ämtern zurückgetreten und hätten ihn „im Regen stehen lassen”. Zudem hätten sie es versäumt, die für einen Verein nötige Zahl an Mitgliedern zu werben.
Der Grund für die finanzielle Schieflage? Bei dem Projekt „Patenschaft, die Taten schafft” seien zugesagte Mittel von Deutscher Fußball-Liga und DFB später geflossen als zunächst erwartet; dies habe ein Loch gerissen, das nicht gefüllt werden konnte.
Theo Zwanziger: "Wunderbares Projekt"
Bleibt es beim Aus, ist ein "wunderbares Projekt" am Ende. So hatte DFB-Präsident Theo Zwanziger "Dem Ball is egal, wer ihn tritt” im Juni 2008 in der DSF-Talkrunde „Doppelpass” genannt. Angefangen hat alles im März 2001, als sich das Projekt unter Federführung von Bodo Berg von der Schalker Fan-Initiative abspaltete, um auch jenseits des königsblauen Universums antirassistische Arbeit zu leisten. Und das ist in vielfältiger und stets medienwirksamer Weise geschehen.
Der Verein – Jahresetat: rund 120 000 Euro – erarbeitete eine CD-Rom für Schulen, leistete im Unterricht Aufklärungs- und Bildungsarbeit, suchte den Austausch mit Gleichgesinnten. 2006 stieß das inzwischen auch formal von der Schalker Fan-Initiative getrennte Projekt die Aktion „Zeig' Rassismus die Rote Karte” an, die vom DFB, der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und den Profi-Vereinen in allen deutschen Fußballstadien durchgeführt wurde.
Bei der WM Tour durch Deutschland
Weitere wichtige Stationen der Vereinshistorie waren die Fußballgipfel 2006 und 2008: Bei der Fußball-WM tourte ein „Dem Ball is egal”-Team im Auftrag des Organisationskomitees durch Deutschland, um vor Ort etwa mit Streetkick Fan-Arbeit zu leisten. Auch bei der EM waren Berg und die zweite hauptamtliche Kraft unterwegs.
Fördermittel gab es vor allem von Laschets NRW-Integrationsministerium, Anerkennung und Unterstützung von vielen Seiten. Und 2007 auch einen angesehenen Preis: Der DFB verlieh „Dem Ball is egal” (gemeinsam mit dem Dortmunder Fan-Projekt) den Julius-Hirsch-Preis, mit dem der Verband Engagement für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeit würdigt.
Aktion sorgte im Frühjahr 2008 für Aufsehen
Noch im Frühjahr 2008 sorgten Berg & Co. mit einer Aktion für Aufsehen: Unter dem Motto „Dummheit singt, Auschwitz spricht” reisten sie mit 20 jungen Anhängern aus vier Vereinen nach Polen. Dort besuchten sie u.a. das Konzentrationslager - auch in Reaktion auf das in Fan-Kreisen immer wieder angestimmte berüchtigte „Auschwitz-Lied”. 2008 startete auch das Projekt „Patenschaft, die Taten schafft”, bei dem vier Profi-Vereine mit vier Amateurklubs kooperieren sollten. Ein Projekt, das nun unvollendet bleibt.
Doch nicht nur der Verein steht mit dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vor dem Aus: Auch die langjährige Freundschaft zwischen den Hauptbeteiligten - Eigenrauch war Bergs Trauzeuge - scheint nun beendet. Vor kurzem stand sich das Duo bereits im Arbeitsgericht gegenüber – wegen der ausstehenden Gehälter des Projektleiters.