Gelsenkirchen.

Er ist der Lässige unter den weltweit gefeierten Tastenzauberern, der Jugendliche und Stylishe. Der Unglamouröse, der doch für gespanntes Festtagsflair sorgt angesichts eines Rufes, der ihm wie Donnerhall voraus eilt. Nikolai Tokarev betrat beim 8. Sinfoniekonzert der Neuen Philharmonie Westfalen die Bühne des Musiktheaters im Revier locker und leger in schwarzem Hemd über der Hose, und bewies nach nur wenigen Takten am Flügel, warum er zu Recht als einer der großen Stars der Klassikszene gilt.

Der 1983 in Moskau geborene Musiker ist längst gereift – vom Wunderkind über den Shootingstar hin zu einer ausgewachsenen Künstlerpersönlichkeit. Sein Klang aber bleibt eine ganz besondere Klasse für sich, jung und modern, und doch klar der russischen Schule verhaftet.

Funkelndes Strahlen

Tokarev, der in Düsseldorf und Moskau lebt, servierte gemeinsam mit dem bestens aufgelegten Orchester Virtuosenfutter vom Feinsten. Und das mit einer Komposition, die es nur selten in die Konzertsäle schafft. Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 kennt und liebt jeder Klassikfan. Aber das zweite? Kennen viele eher nicht.

Mit der Entscheidung fürs Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 G-Dur op. 44 brachten Solist und Neue Philharmonie Westfalen ein zu Unrecht vernachlässigtes Stiefkind der Literatur fulminant zum funkelnden Strahlen.

Unter der Leitung des niederländischen Dirigenten Hans Leenders, Jahrgang 1971, entstanden Momente klangschöner, inniger Dialoge zwischen Pianist und orchestralem Tutti, dann mit einer Solo-Flöte, im 2. Satz mit Solo-Violine und Solo-Violoncello. In diesem kammermusikalischen Trio glänzten neben dem Pianisten Michael Nodelmann (Geige) und Bernhard Schwarz (Cello). Sie zelebrierten Momente, in denen das Publikum den Atem anhielt.

Elegant und kraftvoll zugleich

Tokarev ließ die Melodien elegant erblühen, vermochte aber auch kraftvoll über die Tasten zu rasen. Als Zugabe bewies er noch einmal seine großartige Anschlagskultur mit einem zarten Präludium von Bach aus dem Wohltemperierten Klavier Band I, bearbeitet vom russischen Pianisten Alexander Siloti.

Auch der zweite Konzertteil geriet mit einer überzeugenden Interpretation von Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 6, bekannt als die Pastorale, zu einem bravourösen Hörgenuss. Unter Leenders, der zum ersten Mal am Pult der Neuen Philharmonie stand, entfalteten die Instrumentengruppen Idylle und Lyrik in großen Bögen und klaren Linien. Da zwitschern die Vögel auf dem Podium, da murmelt und plätschert der Bach, da zieht aber auch krachend ein Gewitter auf.

Dank des Solisten und großer Komponistennamen ein gut besuchter, ein gefeierter Abend.