Gelsenkirchen. . Einst haben Städte wie Gelsenkirchen entscheidend geholfen, Deutschland wieder aufzubauen. Heute, wo Gelsenkirchen selbst um Hilfe beim Strukturwandel bittet, dürfe der Bund die Bürger nicht alleine lassen, betonen Kirchenkreis und DGB unisono.

„Obwohl Gelsenkirchen und das Revier jahrzehntelang für einen wirtschaftlichen Aufschwung im Nachkriegsdeutschland gesorgt haben, wird der Region die aktuell benötigte Unterstützung im Strukturwandel nicht gewährt.“ Das wollen DGB und evangelischer Kirchenkreis nicht hinnehmen und bieten Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Seite an Seite Paroli.

Dr. Josef Hülsdünker und Pfarrer Dieter Heisig sind entsetzt über die harsche Ablehnung der Ministerin, die dem Gelsenkirchener Appell jede Unterstützung verweigert habe. „Dabei zielt der Appell darauf ab, die furchtbare Situation der Langzeitarbeitslosigkeit zu mildern.“ Dass dies kein finanzielles Abenteuer sei, habe man vorgerechnet. Stattdessen drohe die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit, die überdies eine dramatisch wachsende Altersarmut nach sich ziehe.

Sozialpfarrer und Gewerkschafter fürchten um die Gerechtigkeitsgemeinschaft und erinnern nicht von ungefähr an die historischen wirtschaftlichen Leistungen Gelsenkirchens und des nördlichen Ruhrgebiets beim Wiederaufbau. Beispielsweise hätten Bergleute in Gelsenkirchen nach dem Krieg mit Sonderschichten die Kohle für ganz Deutschland gefördert und ohne Rücksicht auf städtebauliche Belange seien Hunderttausende von Arbeitskräften im Ruhrgebiet integriert worden, um die Versorgung und die Wirtschaft der Deutschen auf der Basis von Kohle und Stahl aufzubauen. Gelsenkirchen hätte ferner einen großen Anteil an der jahrzehntelangen Förderung der Zonenrandgebiete. Nicht zu vergessen: Bis heute würden Gelsenkirchen und die Emscher-Lippe-Region mit Millionen zum Aufschwung Ost beitragen. Geld, dass sich Gelsenkirchen eigens dafür sogar leihen müsste.

Solidarität für Gelsenkirchen

Kirche und Gewerkschaft sind sich einig: „Jetzt fordern wir angesichts unserer Notlage die Solidarität des Bundes und der Länder für Gelsenkirchen ein, damit es auch bei uns wieder zu einem Aufschwung kommt. Wir brauchen Hilfe, um den Strukturwandel zu meistern und die starken sozialen Verwerfungen zu überwinden,“ sagt Hülsdünker und fordert mit Heisig: Ministerin von der Leyen müsse nach Gelsenkirchen kommen, mit den Menschen reden und sich ein Bild von der tatsächlichen Situation machen.

Pflicht, der Stadt zu helfen

„Wir dürfen nicht zulassen, dass es einen Abschied von der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse gibt“, meint Hülsdünker mit Blick auf das Grundgesetz. Und betont: „Wir sagen nicht Bittebitte. Ministerin von der Leyen ist verpflichtet, der Stadt zu helfen. Das ist eine Verfassungsaufgabe!“

Gemeinsamer Brief an Ursula von der Leyen

Am Donnerstag unterzeichneten Pfarrer Dieter Heisig, stellvertretender Superintendent des evangelischen Kirchenkreises, und DGB-Chef Josef Hülsdünker einen gemeinsamen Brief an Bundesarbeitsministerin von der Leyen.

Darin heißt es unter anderem: „Aus unserer Sicht ist Ihre Entscheidung nicht nachvollziehbar (...). Trotz enormer Anstrengungen schaffen es Gelsenkirchen und die Region derzeit nicht, dem Verlust an Arbeitsplätzen und den steigenden kommunalen sozialen Kosten entgegen zu wirken. Mit anderen Worten: Gelsenkirchen und auch andere Städte des nördlichen Reviers befinden sich in einer spiralförmigen Abwärtsbewegung, aus der sie sich ohne strukturelle Unterstützung durch Bund und Land nicht befreien können.“

Und weiter: „Wir wollen und können das im Interesse der Menschen dieser Region nicht akzeptieren und bitten Sie, die Solidarität zwischen den deutschen Regionen nicht als Einbahnstraße zu sehen.“

Man erwarte nun „eine konstruktive Antwort auf unseren Gelsenkirchener Appell“, um Fachkräftepotenziale zu entwickeln und Arbeitsmarkt fernen Menschen eine Chance auf Beschäftigung zu eröffnen.