Gelsenkirchen. .

Emilia, Robin und die anderen 20 Jugendlichen haben eines gemeinsam: Am liebsten stecken sie ihre Nasen den ganzen Tag lang in Bücher. Und tauchen ab in fremde Welten voller waghalsiger Abenteuer. Wer gerne und viel liest, kann auch gut vorlesen. Das bewiesen die besten Leser der sechsten Klassen nun beim stadtweiten Vorlesewettbewerb des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Emilia Maiweg (Süd) und Robin Kemmann (Nord) holten den Sieg und wurden so zu Helden ihrer eigenen Geschichte. Im März und April dürfen sie sich im Bezirksentscheid beweisen.

Eltern, Großeltern und Geschwister warten am Samstagnachmittag gespannt in der Kinderbibliothek. Noch aufgeregter als sie sind aber die elf Teilnehmer, die auf der kleinen Bühne der Bücherei nacheinander auf dem Vorlesekissen Platz nehmen. Jeder von ihnen hat sich für die erste der beiden Runden eines seiner Lieblingsbücher ausgesucht, aus denen sie eine Passage vorstellen. Sieger sind sie eigentlich schon alle, schließlich haben sie die Wettbewerbe ihrer Schulen gewonnen. Trotzdem geht es um die beste Lesetechnik, Textgestaltung – und wer hat das beste Textverständnis?

Das wollen die fünf Jurymitglieder herausfinden, die nach den vorgegebenen Kriterien bewerten und in der ersten Reihe der Bücherei Platz genommen haben, darunter eine Lehrerin, eine Buchhändlerin, eine Mitarbeiterin der Stadtbücherei, ein Schüler und eine Journalistin. Sie haben an diesem Tag keine einfache Aufgabe, denn die Sechstklässler sind alle Lektüremeister.

So wie Emilia Maiweg, die als siebte Vorleserin auf dem blauen Kissen Platz nimmt. Mucksmäuschenstill ist es im Raum, als sie mit viel Gefühl in der Stimme aus einem ihrer Lieblingsbücher liest. „Die Tribute von Panem“. Rhythmus in der Stimme, eine gute Betonung und Blickkontakt – das kommt an. Auch die anderen Schüler meistern ihre Aufgabe mit Bravour, selbst in der zweiten Runde, in der es darum geht, einen fremden Text vorzutragen: „Vilja und die Räuber“ von Siri Kolu. Zwischen den Zeilen blitzt aber auch durch, wie aufgeregt die Kinder sind. Da gibt’s bei manchen Texthänger und den ein oder anderen Finger, der zur Hilfe huscht.

Neue Bewertungskriterien

In diesem Jahr wurde der Wettbewerb zum ersten Mal in Nord und Süd unterteilt. „Das hat mit den neuen Bewertungskriterien zu tun“, erklärt Cornelia Overkämping von der Stadtbücherei. Zuvor war es so, dass die Teilnehmer in Schularten unterteilt wurden. „Das hat der Veranstalter nun zusammengefasst, so dass es nur noch einen Sieger gibt.“ Da es sonst zu viele Anmeldungen in einem Wettbewerb gegeben hätte, teilten ihn die Organisatoren kurzerhand auf – so treten im Norden und Süden jeweils elf Schüler gegeneinander an.

Emilia freut sich über den Sieg im Süden: „Damit hätte ich nicht gerechnet.“ Wie hast du dich vorbereitet? „Ich habe die Passagen als Sprachmemo aufgenommen, es angehört und so überlegt, was ich verbessern muss“, erklärt die Schülerin des Carl-Friedrich-Gauss-Gymnasiums. „Man muss die Geschichte gut kennen und mit seiner Stimme arbeiten“, weiß Emilia. „Bei wörtlicher Rede sollte man höher oder tiefer sprechen, um Gefühle besser rüber zu bringen.“ Am liebsten mag sie Fantasyromane, in der Stadtbücherei ist sie Dauergast. „Das Fantasyregal hab ich schon halb durch.“ Von Emilias Lesespaß profitiert übrigens die ganze Familie Maiweg. „Auf einer Autofahrt nach Italien habe ich mal vier Stunden lang vorgelesen.“ Ihrem Bruder hat sie bereits Harry Potter vorgelesen. Vielleicht lässt sich das Talent mal irgendwann auch beruflich nutzen? „Hörbücher zu lesen – das wäre ein Traum.“

Info:

Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) überreichte den Teilnehmern jeweils eine Urkunde, zwei Bücher und einen Gutschein. Der OB sagte in seiner Ansprache: „Beim Lesen entsteht Kopfkino. Und Kopfkino ist viel spannender als Fernsehen.“

Die Mädchen und Jungs kamen aus allen Schulformen, u.a. von der Realschule an der Mühlenstraße, der Hauptschule Emmastraße, dem Max-Planck-Gymnasium oder der Gesamtschule Berger Feld. Diese besucht übrigens der Nord-Gewinner Robin Kemmann.