Gelsenkirchen. Canan Eyigün aus Istanbul unterrichtet seit Oktober am Weiterbildungskolleg Emscher-Lippe in den Fächern Englisch und Türkisch. Sie ist über das europäische Comenius-Austauschprogramm für Schulen nach Gelsenkirchen gekommen.

Die 23-Jährige versteht zwar (noch) nicht alles, ist aber ganz Ohr, streut je nach Gesichtsausdruck des Gegenübers ein interessiertes „Aha“ oder bedauerndes „Schade“ ein. Wenn sie von den liebenswerten Randerlebnissen ihres Aufenthalts in Gelsenkirchen erzählt, von der tollen Aufnahme im Studentenwohnheim in Erle, von den vielseitigen Sprachkursen an der VHS („Das gibt es in der Türkei nur in den großen Städten“), dann bricht sich das Temperament der Power-Frau Bahn.

Für Humanität, Toleranz und Frieden

Canan Eyigün, türkische Englischlehrerin, ist seit Oktober vergangenen Jahres als Fremdsprachenassistentin am Weiterbildungskolleg Emscher-Lippe im Einsatz. Über das Comenius-Projekt, das Zusammenarbeit und Partnerschaft schulischer Einrichtungen in Europa fördert, ist sie von Istanbul nach Gelsenkirchen gekommen. In eine Stadt, die ihr „sehr gut gefällt“. Auch, weil es hier zu ihrer großen Überraschung trotz Industrie so grün ist. In der Türkei, erzählt sie, heißt Industrie: keine Bäume, keine Blumen. Halt nur Industrie.

Canan Eyigün ist von ihrer Dienststelle auf Zeit angetan. „Wenn ich eine Idee für den Unterricht habe, sind die Kollegen sehr hilfsbereit“, sagt sie. Während ihrer Englisch- und Türkischstunden sitzt ein Kollege des Weiterbildungskollegs mit im Klassenraum. Anschließend wird nachbereitet.

"In der Türkei ist der Lehrer die Autorität"

Und die Schüler? Sind die anders als in der Türkei? Ja, sagt die junge Lehrerin. „In der Türkei ist der Lehrer die Autorität.“ Den Frontalunterricht ihrer Heimat erlebt sie hier nicht. „Die Schüler sind schon viel selbstbewusster.“ Anders gesagt: „In der Türkei steht der Lehrer im Vordergrund, hier die Studierenden.“ In diesem Zusammenhang wirft Günter Jahn, Leiter der ausgewiesenen Schule mit Courage und ohne Rassismus, ein: „Was ich phänomenal finde ist, dass Frau Eyigün jünger ist als ein Teil der Studierenden und sich trotzdem durchsetzt.“

Wie gut ihr Zugang zu erwachsenen Schülern ist, hat die 23-Jährige auch in der Projektwoche ihrer Gastschule bewiesen. Auf Grundlage der Lehre Mevlanas, der sich im 13. Jahrhundert für Humanität, Toleranz und Frieden eingesetzt hat, setzte Canan Eyigün ein Zeichen für Völkerverständigung.

Interkulturelles Lernen und Integration fördern

Canan Eyigün ist bereits die vierte Assistentin am Weiterbildungskolleg Emscher-Lippe, die ein dreiviertel Jahr an der Comenius-Schule arbeitet. Türkisch wird hier als Fremdsprache bis zum Abitur angeboten: im muttersprachlichen und nicht-muttersprachlichen Unterricht. Das erklärt auch, warum sich der „Comenius“-Beauftragte der Schule, Fremdsprachlehrer Dr. Hartmut Rensch, bevorzugt um junge Pädagogen aus der Türkei bemüht, wenn er für das Weiterbildungskolleg Anträge an den Pädagogischen Austauschdienst (PAD) stellt. Der PAD ist mit der Durchführung des Comenius Programms als Nationale Agentur für EU-Programme im Schulbereich beauftragt.

Interkulturelles Lernen und Integration junger Erwachsener mit Migrationshintergrund wird am Kolleg in Resse groß geschrieben. In diesem Sinne wurde im Mai 2005 im Rahmen einer Studienfahrt nach Istanbul mit dem Borusan Asim Kocabiyik Anadolu Meslek Lisesi (BAKAML) in Gelsenkirchens Partnerstadt Büyükcekmece eine Schulpartnerschaft vereinbart. Alle zwei Jahre fliegt eine Delegation des Weiterbildungskollegs nach Istanbul und besucht die Partnerschule. „Dort treffen wir immer eine ehemalige Assistentin“, erzählt Günter Jahn. Vielleicht demnächst auch Canan Eyigün, deren Zeit in Gelsenkirchen im Sommer vorüber ist.