20 oder 30 Euro zahlte er, „durfte“ dafür Kinder und Jugendliche aus Gelsenkirchen sexuell missbrauchen. Dafür muss ein 35 Jahre alter Kölner Geschäftsmann vier Jahre ins Gefängnis. Mit seinem Urteil blieb das Landgericht Essen deutlich unter den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die neun Jahre Haft gefordert hatten.

Es lief ab wie bei einer Geschäftsbeziehung, nur mit ungleichen Partnern. Denn die Kinder und Jugendlichen, die der Mann aus reichem Haus mit seinem Geld zur Prostitution gedrängt hatte, stehen gesetzlich unter Schutz vor sexuellen Handlungen, weil sie unreif und unerfahren sind. Es klang in der Urteilsbegründung denn auch merkwürdig, als Richterin Luise Nünning und ihre V. Strafkammer dem Angeklagten in einem Punkt Milderung zugestanden: „Die Kinder wollten gerne Geld verdienen. Für ihn war das schwer zu stoppen.“

Anfang 2012 hatte der homosexuelle Kölner auf der Suche nach Sexpartnern über das Internet Kontakt zu einem Gelsenkirchener aufgebaut. Dieser war zwar heterosexuell und hatte eine Freundin, ging aber trotzdem auf das Angebot „Sex gegen Geld“ ein. Das reichte dem Kölner nach dem ersten Treffen nicht. Er fragte den jungen Mann, ob dieser ihm jüngere Sexualpartner vermitteln könne. Kein Problem, denn in seinem Viertel, so das Gericht im Urteil, hörten die Nachbarkinder auf ihn.

Taschengeld von 20 Euro

So kam es regelmäßig zu Sexualkontakten mit den mal unter, mal über 14 Jahre alten Jungen. Entweder traf der Kölner sie zum Sex in seiner Wohnung oder in Bismarck auf einer Abraumhalde. Mit 20 oder 30 Euro zahlte der 35-Jährige, der aus einem Elternhaus mit adligen Wurzeln am Niederrhein stammt, den Jungen aus finanziell weit ärmeren Verhältnissen eine Art Taschengeld. Der Gelsenkirchener Zuhälter bekam bis zu 200 Euro für seine Vermittlung.

Rund drei Monate lang nutzte der Kölner seine neuen Sexkontakte, für sechs Fälle wurde er verurteilt. Als er irgendwann weniger zahlte, fertigte der Gelsenkirchener mit Hilfe eines der Jungen sogar Erpresserfotos an, verlangte 150 000 Euro vom Kölner. Gezahlt wurden allerdings nur 1000 Euro. Richterin Nünning: „Aus dem Täter wird ein Stück weit ein Opfer.“ Aber auch umgekehrt habe das Opfer sich zum Täter entwickelt.

Kritisch sieht die Kammer auch die Rolle des Gelsenkircheners, der die Kinder vermittelte: „Er tat das, um sich zu bereichern. Er hätte im Mittelpunkt der Anklage stehen müssen.“ Die Staatsanwaltschaft will jetzt nach Abschluss des Verfahrens gegen den Kölner auch die Anklage gegen den „Zuhälter“ schreiben, der sich vermutlich auch vor dem Landgericht verantworten muss.

„Normaler“ Straftäter

Die Kammer ließ es offen, ob der Angeklagte pädophil veranlagt sei. Das hatte die von der Verteidigung ins Verfahren gebrachte Psychologin Sabine Nowara verneint, der von der Kammer ursprünglich geladene Psychiater Dieter Oswald dagegen bejaht. Doch dessen Gutachten hielt die Kammer für „wenig belastbar“, sie sei „nicht glücklich“ über dessen Bewertungen. Beide Gutachter waren sich aber einig, dass der Angeklagte voll schuldfähig sei. So gilt er jetzt als „normaler“ Straftäter ohne pädophile Neigungen, was ihm im Strafvollzug, etwa bei der Frage einer vorzeitigen Entlassung, Vorteile bringen könnte.

Strafmildernd hielt die Kammer dem Kölner zugute, dass er umfassend gestanden hatte und nicht vorbestraft ist. Auch Reue gestand sie ihm zu, wenn sie auch kein echtes Mitleid mit den Opfern bei ihm sah. Richterin Nünning: „Er neigt zu Selbstmitleid.“