Die kleine Maus sitzt ganz still neben dem Tisch und wartet. Mucksmäuschenstill, wie man es eben von diesem Tier sprichwörtlich erwartet. Die runden Ohren aufgerichtet und mit den langen Schnurrhaaren witternd kauert der kleine hellgraue Nager in der Kunstschule und harrt der Dinge. Nun kann es nicht mehr lange dauern. Sie werden kommen. Sie werden sie holen.

Die kleine Maus heißt Luisa und ist eigentlich ein siebenjähriges Mädchen. Sie ist die jüngste der sechs Teilnehmer, die am Freitag und Samstag beim Kostüm-Workshop der Modedesignerin Heike Feddern mitmachen. Mit Pappe, Stoff, Plastikblumen und mit Stiften, Scheren und ganz viel doppelseitigem Klebeband haben Luisa (7), Leon (11), Laura (8), Helen (8) und Emily (10) ihrer Fantasie freien Lauf gelassen und ihre Wunsch-Kostüme gebastelt. Die sechste im bunten Bunde, eine Waldfee, war schon vor den anderen mit ihrem neuen Karnevalskostüm ins Freie entschwunden.

Kinder werkeln selbstständig

„Das ist mein erster Kostüm-Workshop dieser Art“, sagt Kursusleiterin Heike Feddern. Die Veranstaltung sei eine kurzfristige Überlegung der Kunstschule anlässlich der Karnevalszeit gewesen und ebenso spontan habe sie zugesagt. Im Vorfeld gab es eine gemeinsame Besprechung mit den Eltern, damit sie wussten, welche Materialien ihre Kinder brauchen. Am Freitag sind die Kinder auf sich allein gestellt. So müssen sie sich ganz genau überlegen, was für ein Kostüm sie basteln möchten. „Ich finde es super, dass alle Kinder mit eigenen Ideen gekommen sind“, lobt Heike Feddern ihre kleinen Teilnehmer.

Aus Leon wird ein Einbrecher. Wie er darauf gekommen ist? „Meine Mutter hat meiner Schwester eine Mütze genäht und als sie ihr die über den ganzen Kopf gezogen hat, musste ich an einen Einbrecher denken“, sagt der einzige Junge im Kursus. Helen hat sich für einen Konditor entschieden. Aber weil sie ihre Anziehsachen für dieses Kostüm zu Hause vergessen hat, kann sie heute nur die riesengroße Kirschtorte basteln. „Ich wollte schon immer Konditor werden, man kann immer Süßigkeiten essen“, strahlt das Mädchen. Naschen spielt eine große Rolle in Helens Leben: Ursprünglich wollte sie sich nämlich in eine Bonbon-Prinzessin verwandeln. Zur Sicherheit hat sie im Workshop neben der Papp-Torte noch ein entsprechendes Kleid angefertigt – mit echten Bonbons drauf.

Aus Laura wird ein Pandabär. Mit dem Rapper Cro hat das nichts zu tun, sagt sie. Sie ist einfach so darauf gekommen. Mit einem außergewöhnlichen Verkleidungswunsch war Emily in der Kunstschule aufgeschlagen: Sie wollte doch tatsächlich eine Mülltonne werden. Für lustige Ideen ist Heike Feddern immer zu haben, dennoch legte sie dem Kind nahe, nach einer Alternative zu suchen. Emilys Wahl fiel auf eine Waschmaschine. Mit zwei Gurten kann sie sich die Leichtbau-Weißware über die Schultern hängen und wie mit einem Bauchladen damit herumlaufen. Und die Bastelanleitung für dieses ausgefallene Kostüm? „Kleben, kleben und noch mal kleben“, winkt die Zehnjährige ab.

Heike Feddern nickt zustimmend: „Doppelseitiges Klebeband war unser bester Freund.“ Für Luisas Maus-Verkleidung wurden aus Pfeifenreinigern die Schnurrhaare, an einen Haarreifen wurden die Ohren geklebt, aus grauer Pappe entstand eine Gesichtsmaske und aus gelber Pappe kleine Käsestückchen. Dann ist es so weit, die Zeit für die Maus ist abgelaufen. „Holt Ihr die Maus ab?“, rufen die anderen Kinder, als Luisas Vater und Schwester hereinkommen. Und husch, gleitet der kleine Nager lautlos nach draußen. Karneval kann kommen.