Gelsenkirchen. Die Beschwerden reißen nicht ab: Erneut melden sich Kunden des Integrationscenters für Arbeit in Gelsenkirchen, weil Anträge augenscheinlich nicht richtig bearbeitetet oder verbummelt wurden. Da wird ein Arbeitsloser als Vollzeitbeschäftiger geführt - und bekommt keine Hartz-IV-Bezüge.
Der Begriff Bedarfsgemeinschaft impliziert Hilfsbedürftigkeit. Natalie Jablonskyj, 33 Jahre, und ihr Lebensgefährte Eric Jumerovska (34) fallen darunter. Allerdings warten die Gelsenkirchener derzeit vergeblich auf staatliche Hilfe. Mehrfach sind sie beim Integrationscenter für Arbeit (IAG) vorstellig geworden, von mehreren Sachbearbeitern betreut worden – doch darin liegt offenbar das Problem.
Beim Jobcenter wurden beide bis dato als (voll-) beschäftigt geführt. Waren bzw. sind sie aber nicht. Und: „Unsere Anträge haben wir persönlich und per Fax eingereicht – pünktlich“, erzählt das Paar beim Redaktionsbesuch. Nur: Das Geld, sie bekommen anteilig Hartz IV, „ist nicht auf dem Konto des Vermieters eingegangen“. Nun haben sie Angst, bald auf der Straße zu sitzen. Die Drohkulisse des Vermieters: „der Einsatz einer Inkassofirma“.
Hoffnung auf neuen Job
Was ist passiert? Natalie Jablonskyj hatte bis kurz vor Jahreswechsel einen Minijob, der mit 1,50 € pro Stunde vergütet worden ist, seitdem arbeitet sie als 400 Euro-Kraft bei der AWO. Ihr Freund Eric Jumerovska war guter Hoffnung, dass sein auf zwei Monate befristeter Arbeitsvertrag als Umbauhelfer in einem Hellweg-Baumarkt nach Auslauf in eine Festanstellung mündet. „Dafür habe ich Überstunden gemacht, auf Pausen verzichtet und mich richtig reingehängt“, sagt der 34-Jährige. Vergeblich. Am 22.12.2012 war er, nach nur zwei Monaten, wieder ohne Job.
Nun kommt das Jobcenter ins Spiel. Seinem Betreuer hatte Eric bereits vor Antritt der neuen Stelle gesagt, dass es noch offen ist, ob der Vertrag verlängert wird. „Und damit ja nichts schiefgehen kann, hat sich Herr S. ein Vermerk gemacht und sogar noch die Kollegin P. aus der Leistungsabteilung hinzugezogen.“ Auch sie machte sich eine Notiz, und das Paar vertraute darauf, dass alles seinen gerechten Gang nahm. Immerhin verabschiedete Frau P. sich noch mit den Worten: „Reichen sie nur die Kündigung ein, wenn es nicht klappt, wir kümmern uns dann.“
Hartz IV-Geld kommt nicht
Gesagt, getan. Sie meldete noch vor Jahresfrist den Wechsel in den 400€-Job, er das Aus im Job. Und das Hartz IV-Geld? Blieb aus. Stattdessen flatterten Mahnungen ins Haus, die Drohung des Vermieters, ein Inkasso-Büro einzuschalten. „Wir waren geschockt“, erzählt Natalie. Sie beschwerten sich bei der Agentur für Arbeit in Nürnberg, saßen flugs wieder im Jobcenter und trauten dann ihren Ohren nicht. „Uns wurde gesagt, dass im PC vermerkt ist, dass ich weiter beschäftigt sei“, erzählt Eric. Und seine Freundin sei als Vollzeitbeschäftigte eingetragen. Erneut legten die beiden ihr Arbeitsverhältnis dar. Aber anstatt den Fauxpas zu korrigieren, forderte das Center seine Kunden erneut auf, die Unterlagen einzureichen. „Jetzt“, sagt das Paar, „wissen wir nicht mehr weiter.“
Auf ihrer Suche nach Hilfe haben sich Natalie und Eric auch an die Diakonie in der Pastoratsstraße gewandt. Bei der Durchsicht der Unterlagen ist der kundige Helfer auf einen Fehler des Jobcenters gestoßen: Es hat in den vergangenen zwei Jahren den Stromkostenzuschuss von 7,75 pro Kopf für Warmwasser (Durchlauferhitzer) nicht gezahlt. Macht zusammen rund 370 Euro für 24 Monate – Geld, das jeder Arbeitssuchender gut gebrauchen kann.
"Jobcenter behandelt uns wie Menschen zweiter Klasse"
Weil sich die Gesetzeslage aber geändert hat – früher konnte man seine Ansprüche über einen Zeitraum von vier Jahren rückwirkend geltend machen – bekommen Natalie und Eric lediglich den Betrag von einem Jahr zurück.
Das Paar kann aber noch von ganz anderen Ungereimtheiten erzählen. So berichtet Eric von „zig Briefen“, die „vom Amt“ kamen. Und in denen sei er aufgefordert worden, den Lohnbescheid seines neuen Arbeitgebers einzureichen. Kurios: „Dabei hatte ich in den Baumarkt noch gar nicht angefangen.“ Natalies und Erics Urteil: „Man wird beim Jobcenter wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt. Und das, obwohl wir so gerne wieder richtig in Lohn und Brot stehen wollen.“