Gelsenkirchen. Wenn der Fahrstuhl stecken bleibt, wird der Alarmruf zur wichtigsten Taste. Ein Selbstversuch in Hochhäusern führte zu interessanten Gesprächen und neuen Erkenntnissen. So dient der rote Knopf nicht nur als Notrufschalter für Technikprobleme im Fahrstuhl.
Es passiert gerne freitags: Der Betrieb hat sich geleert, alles hastet ins Wochenende, man ist der Letzte im Büro – und dann geht plötzlich nichts mehr, der Fahrstuhl bleibt mit einem Ruck zwischen den Etagen stecken. Die wichtigste Taste wird auf einmal die mit der Glocke. Aber ob sie auch funktioniert? Und wer sitzt eigentlich am anderen Ende? Das schreit förmlich nach einem Selbstversuch in der Stadt.
Erste Anlaufstelle: Das Hamburg-Mannheimer-Haus in der Ahstraße. Erst einmal sicherheitshalber den Hausmeister gesucht. Heinz Zemke kann sich an keinen echten Notfall erinnern. Ob wir mal die Probe aufs Exempel machen könnten? „Ja sicher, machen wir eine Fahrstuhlprüfung”, willigt Zemke ein. Drei Aufzüge besitzt das Haus, zu Sozialgerichten und Schulamt, also hoher Publikumsverkehr. Man sei mit einer Notrufzentrale verbunden. Der Hausmeister drückt, das Signal ertönt. Es passiert – nichts.
„Nanu, hat die keine Lust?”, wundert er sich. Zweiter Versuch, wieder nichts: „Ne, ich glaub, die ist umgefallen.” Wir haben gut scherzen, unsere Tür steht offen. Beim dritten Drücken dann eine Stimme vom Band: „Sie werden weiter geleitet.” Kurz darauf meldet sich eine Dame eines Aufzug-Notdienstes in Herne. Wir geben Entwarnung. Der Hausmeister hat sein Siegerlächeln wieder: „Wusste ich's doch, alles sicher.” Na ja.
Zweimal klingeln ist Vandalismus
Dann geht's weiter zum B + B-Parkhaus gegenüber. Wirklich kein Ort zum Verweilen. Der Aufzug minimalistisch ausgestattet, der Boden aus Beton, die Innentüren dreckverschmiert. Eine Notrufglocke ist sichtbar, aber keine Gegensprechanlage. Wer weiß, wo er ausgelöst wird, dann lieber nicht. Draußen am Aufzug ein Schild: „Bei Störungen: Aufzugwärter benachrichtigen”. Darunter eine Gelsenkirchener Nummer. Nützt mir im Fahrstuhl herzlich wernig.
Schnell rüber zum Iduna-Hochhaus in der Ebertstraße, überwiegend ein Ärztehaus. Diesmal der umgekehrte Versuchsweg, erst der Selbsttest. Drei Aufzüge in bestem Zustand, TÜV-Prüfung vom letzten Jahr, lachen einen an. Die goldene Mitte soll es sein. Erstes Schellen, „Trööt” – niemand meldet sich, zweiter Versuch, „Trööööööööt”, ohne Erfolg. Also gut, dann braucht es doch den Hausmeister. Sie sind ein Team: Wilfried Mashöfer und Dirk Keinemann, der auch noch im Schlüsseldienst-Laden im Gebäude beschäftigt ist. Keinemann lächelt und bleibt ganz cool, als ich ihm mein Erlebnis vortrage: „Kein Wunder, zweimal klingeln ist der ganz normale Vandalismus, darauf reagiert am Ende keiner.”
Oh, das sollte man im Panikfalle aber wissen. Ansonsten hätte sich der Thyssen-Notrufdienst gemeldet. „Hier ist ewig nichts mehr vorgekommen”, so das Hausmeisterteam. Einmal wären fünf, sechs südländische, gewichtige Frauen mit Kopftüchern im Fahrstuhl gehüpft, der darauf stecken blieb. Die brauchten keinen Notruf, die hätten so laut gebrüllt, dass sie im Nu frei kamen.
Piepser in der Hosentasche
Letzte Station: der Wohnblock „Weißer Riese” neben der VHS. Sieben Aufzüge, 197 Wohneinheiten, zwei Hausmeister, wovon einer immer 24-Stunden-Dienst schiebt und einen Piepser bei sich trägt. Wir machen die Probe: Klingen am Alarmknopf und sogleich piepst es in der Hosentasche von Marc Rosowski, der auch den Fahrstuhl angezeigt bekommt. Wie oft wird er ausgelöst? „Och, eigentlich täglich”, so der Hausmeister. Wie bitte?
Erklärung: Die Leute drücken nicht nur bei Alarm auf den Notknopf, sondern auch „bei allgemeinen Fragen”, auch, wenn ein Rohr in der Wohnung verstopft ist. Hausmeister kommt.
Fazit: Die Mitnahme eines Handys im Fahrstuhl kann nicht schaden. Wenn man denn Empfang hat.