Gelsenkirchen.

Wenn die ganze Christenwelt am Heiligen Abend die Geburt von Jesus feiert, dann bereitet sich einer bereits intensiv auf dessen Tod vor. Denn Jesse Krauß wird in den ersten Passionsfestspielen von Gelsenkirchen den Jesus am Ende seines Lebens verkörpern. Wenn der 32-Jährige in diesen Tagen auf das Kind in der Krippe blickt, dann denkt er auch schon an den Leidensweg Christi. Jesse Krauß wird ihn ab 13. Februar spielen.

Jesse, ausgerechnet Jesus? Ja, gibt Krauß zu, so habe mancher im Freundeskreis auf die Übernahme der Rolle reagiert. Der Mann im perfekten Jesus-Alter stand bislang noch nie auf einer Bühne, umso mehr freut er sich über diese erste, so große Aufgabe: „In Oberammergau warten junge Männer oft jahrelang darauf, einmal im Leben den Jesus spielen zu dürfen. Bei mir hat es auf Anhieb geklappt.“

Gecastet hat ihn der Gelsenkirchener Regisseur und Schauspieler Elmar Rasch, Initiator des Mammut-Projektes, das in der Evangelischen Kirche Rotthausen über die Bühne gehen wird. Rasch legt die Passion als reines Laientheater an, ähnlich den Oberammergauer Festspielen, wo das ganze Dorf zum Ensemble mutiert. In Gelsenkirchen kommen die Jünger und die Römer, der Hohe Rat, Judas, Herodes und alle anderen auch noch aus Essen, Bochum und Wattenscheid.

Jesse Krauß, der traf gleich beim ersten Vorsprechen aus der Bibel den richtigen Ton. Die passende Optik mit seiner hageren Gestalt und seinen langen dunklen Haaren sprachen zusätzlich für ihn. Aber auch die Ernsthaftigkeit, mit der er das Projekt angeht, überzeugte.

Im richtigen Leben arbeitet Jesse Krauß als Illustrator, Designer und Grafiker, engagiert sich als Künstler in der freien Szene. Religiös war er bislang eher nicht: „Ich komme nicht aus einem besonders religiösen Elternhaus.“ Dennoch entdeckte er irgendwann den Glauben und vor allem die Bibel für sich. Im Sommer zog es ihn sogar ins Kloster. Bei den Schwestern der Heiligen Maria Magdalena Postel im sauerländischen Bestwig ging Jesse Krauß eine Woche lang in die inneren Exerzitien.

Themen aktueller denn je

„Dann kam ich nach Hause und in der Zeitung stand die Schlagzeile ,Jesus gesucht’.“ Jesse Krauß fühlte sich auf Anhieb angesprochen, zumal: „Wegen meiner langen Haare bin ich schon in der Schulzeit als Jesus gehänselt worden.“ Also ging er zum Casting und hatte, welch göttliche Fügung, prompt Erfolg.

An der Figur des Jesus reizt ihn besonders, „dass er ja auch eine Art Philosoph war“. Jesse Krauß hat die Bibel intensiv studiert: „Mich faszinieren die so modernen Botschaften von Jesus wie Nächstenliebe, Menschlichkeit – Dinge, die heute aktueller sind denn je.“ Und da er die Texte mag, fällt ihm auch das Lernen leicht. Geprobt wird inzwischen zwei bis drei Mal in der Woche jeweils zwei Stunden lang: „Das Schwierigste ist die Darstellung der unterschiedlichen Emotionen.“ Der Schauspieler selbst ist eher ein ruhiger Typ: „Aber diese Rolle scheint genau die richtige für mich zu sein.“ Weihnachten feiert er ganz klassisch im Kreise seiner Lieben, im Kopf die Tatsache, dass er schon bald den Leidensweg des Erlösers darstellen wird, dessen Geburt die Menschheit heute feiert.