Geslenkirchen. . Weiß lackierter Stahl:Das ist der (Werk)Stoff, aus dem Achim Wagner seine Krippe schuf. Kein Wunder: Der 60-Jährige ist nicht nur Objekt-Künstler und gelernter Schlosser, sondern hat auch noch beim Schalker Verein gearbeitet. Sein Jesuskind ruht auf einem Amboss; ein Sinnbild für das Leben in der einstigen Stahlregion, die ihre Bewohner nicht auf Rosen bettet?
In Millionen von Krippen auf der Welt wird das Jesuskind an Heiligabend auf wärmendem Stroh weich gebettet sein. Bei Joachim Wagner, gelernter Schlosser, spürt das Neugeborene schon am ersten Lebenstag die Härte des irdischen Lebens. Es ruht auf Stahl, genauer gesagt auf einem Amboss. Doch der stählerne Knabe ist nicht der einzige, der auf wohlige Wärme verzichten muss. Auch Maria und Josef hat der 60-jährige Künstler einen harten Werkstoffmantel verpasst. Eine stählerne Krippe zu konstruieren, das hatte sich der Bulmker immer schon vorgenommen. Eine stattliche Zahl stählerner Skulpturen, ob Pinguinpärchen oder Pfauen als Brillenträger, stehen bereits im Garten Spalier.
Das Gefühl fürs Heilige verloren
Schon als Kind hatte er mit großen Augen das Krippenspiel im Kindergottesdienst verfolgt. Der Kontakt zur Kirche ist geblieben, wenn auch das „Gefühl fürs Heilige“ verloren gegangen ist. Aber das Menschliche im Christentum, glaubt Wagner, stütze die Gesellschaft. Er schätze das soziale Engagement der Kirche und deren klassisches Familienbild. In der Krippe sieht es der 60-Jährige symbolisiert. Dabei habe jede Gemeinschaft, die Weihnachten feiert, ihre eigene Krippenkultur.
Da sein Job beim Schalker Verein – heute St. Gobain – 46 Jahre lang vom Stahl geprägt war, stand das Material für die Krippe schnell fest. Der Schwiegervater seiner Tochter schenkte ihm zum 60. Geburtstag einen Hänger voller Bleche. Doch wie soll er acht Millimeter dickes Stahlblech schneiden und formen? Er ersteigerte einen Plasmaschneider, der per Druckstrahl einen punktuellen Lichtbogen mit etwa 20 000 Grad erzeugen kann. Den ganzen Tag war er unterwegs, um das Spezialgerät zu besorgen.
Die Familie zusammengeschweißt
Der Kauf hat sich gelohnt. „Unter fünf bar Druckluft ging ich mit der Schneidepistole wie Butter durch das Stahlblech“, schwärmt Achim Wagner von dem Werkzeug. Dabei wird die extrem hohe Temperatur nur in dem punktuellen Bereich erzeugt, in dem die Pistole eingesetzt wird. Damit Maria, Joseph und der Nachwuchs auch plastisch erscheinen konnten, musste der Künstler die Bleche formen und die Einzelteile zusammenfügen. Im wahrsten Sinne des Wortes schweißte das die Krippengesellschaft zusammen. Dass er dem Josef noch einen Stock zur Seite stellte, sieht er als reine Vorsichtsmaßnahme. Es könnte sich ja ein Wolf nähern, den er vertreiben muss. Die Köpfe der Eltern hat er aus ehemaligen Schlackenlöffeln geformt. Mit den Arbeitsgeräten wurde bei der Stahlherstellung die Schlacke abgeschöpft, die beim Einschmelzen von Schrott entstand.
70 kg wiegt die Krippe, die Achim Wagner im Garten aufgebaut hat. Weihnachtlicher Glanz stellt sich ein, wenn der Künstler abends Kerzen in den Nischen des stählernen Stalls aufstellt und die heilige Familie beleuchtet. Und als festliche Zugabe schaltet heute der Küster in der benachbarten Bulmker Pauluskirche das Licht an. Dann gibt das bunte Kirchenfenster im Hintergrund der Krippe eine Leuchtkraft, die dem Betrachter Frieden, Ruhe und Zufriedenheit vermittelt. Dann ist auch die Zeit für den Vortrag der Weihnachtsgeschichte gekommen, die Achim Wagner jedes Jahr schreibt und an Heiligabend im Kreise seiner Familie vorliest. Diesmal werden auch die Drei in der Krippe aufmerksam zuhören.
Schützender Stahl
Der Stahl als Werkstoff für die Krippe soll auch den Schutz symbolisieren, unter dem die Heilige Familie steht. Der Amboss, auf dem das Jesuskind ruht, ist ein charakteristisches Zeugnis für die Stahlregion, zu der Gelsenkirchen einst gehörte.
Achim Wagner könnte sich vorstellen, die Krippe auch an Kirchen oder Verbände auszuleihen, die sie gerne ausstellen möchten. Bei Interesse anrufen unter 0209 2 98 79.