Gelsenkirchen. „Oma“ Doris Tachojianni aus Gelsenkirchen hat sich die Hilfe zur Selbsthilfe zur Lebensaufgabe gemacht.
„Datt kleine Büro“, wie Doris Tachojianni ihre Nähstube an der Wanner Straße im kernigen Jargon nennt, ist Dreh- und Angelpunkt ihres Wirkens. Anlaufstelle für Frauen, die von ihren Männern geschlagen wurden, für Kinder, die Hilfe suchen, weil der Haussegen schief hängt, von heranwachsenden Migranten aus dem arg in die Jahre gekommenen Hochhaus darüber, die versuchen, ein Bein auf den Boden zu bekommen. Wer die 77-Jährige, die sich seit Jahren für die Jugend der „Falken“ engagiert, allerdings nach Rat fragt, der „muss was abkönnen“, denn die Seniorin aus Schalke raucht nicht nur liebend gern starken Tobak, sondern zeigt auch verbal klare Kante.
„Heute geht’s nur ums Geld, um den schnellen Konsum und um noch schnelleres Wegwerfen“, wettert sie etwa. Finanziell von Kindesbeinen an alles andere als auf Rosen gebettet – der Laden wirft so wenig ab, dass sie „Stütze“ bekommt –, hat die gelernte Krankenschwester aus der Not eine Tugend gemacht, sie flickt kunstvoll noch so schadhafte Kleidung. Oder bunkert brauchbare Möbel vom Sperrmüll. Oft sind es Spenden, die sie nach getaner Arbeit „an Bedürftige weiterreicht.“
Kinder und Jugendliche antreiben
An Kinder und Jugendliche vor allem. Ihnen will sie Antreiberin sein, mehr aus ihrem Leben zu machen. Eine Aufgabe mit sisyphoshaften Zügen. Denn: „Viele der jungen Leute sind schlichtweg zu faul, sich eine gute Ausbildung oder eine Arbeit zu suchen“, schimpft sie wie ein Rohrspatz. Handys, Flachbildfernseher und anderen Tand, dafür gäben die jungen Leute ihr Geld aus, ja. „Aber wenn sie dann nichts mehr zu essen im Kühlschrank haben oder die Räumungsklage droht, ist das Geschrei groß,“ wettert sie über oft falsch gesetzte Präferenzen.
Solchen Entwicklungen will sie, fernab von umfangreichem Wissen groß geworden, entgegenwirken. Die 2000€ Preisgeld steckt sie „daher in politische Bildung“. Den Landtag kennenlernen sollen die Mädchen und Jungen bei einem Ausflug, verstehen wie Politik und Mitbestimmung funktionieren. „Vielleicht ist sogar eine Fahrt nach Brüssel zum EU-Parlament drin“, sagt sie. Motto: „Demokratie lebt vom Widerspruch. Wer also ‘was ändern und erreichen will, der muss selbst etwas tun.“