Gelsenkirchen. . Die Grünen-Schwergewichte Künast, Roth und Trittin gastierten in Gelsenkirchen-Bismarck.Die etablierten Spitzenkandidaten stellten sich beim Bundeskongress der Grünen Jugend vor

So nah an ihren Wurzeln wie beim Bundeskongress ihrer Jugendorganisation ist die Partei „Bündnis 90 / Die Grünen“ nur noch selten zu beobachten. Vom großen Politikzirkus in Berlin völlig unbeeindruckt, diskutierten die jungen Mitglieder unter 30 Jahren in der Evangelischen Gesamtschule Bismarck drei Tage lang die grundsätzlichen Strukturen ihrer Partei. Höhepunkt war am Samstag der Besuch von sieben potenziellen Spitzenkandidaten, von denen sich in wenigen Monaten zwei zur Bundestagswahl stellen. Die Mitglieder bestimmen ihr Spitzenpersonal per Urwahl selbst.

„Unser Personal wird so hoch politisch legitimiert sein wie es nur legitimiert sein kann“, lobt Renate Künast das Verfahren, mit dem die Grünen eine Frau und einen Mann in den Wahlkampf schicken und mit dem die Partei ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland hat.

Schwergewichte gegen Revoluzzer

Bei Urwahlforen, zu der auch die Veranstaltung an der Laarstraße gehörte und die die letzte ihrer Art vor der Kür ist, präsentierten sich die Kandidaten. Die Basis wählt (28 000 von 60 000 Mitgliedern haben schon abgestimmt) und lässt sich wählen. Neben alten Hasen buhlen auch der Nachwuchs und Nichtprofis um die Stimmengunst. Ein Heimspiel feierten die Jungspunde: Nico Hybbeneth (22) und Patrick Held (24). Letzterer machte sich vor allem für umweltpolitische Nachhaltigkeit stark („Dafür müssen wir alle auf etwas verzichten“) und gab sich als angriffslustiger Revoluzzer: „Ich hoffe, in vier Jahren sitzen auch Frauen hier, um den Alten etwas um die Ohren zu hauen.“ Für eine linke grüne Politik warb Nico Hybbeneth: „Ich kämpfe für eine glaubwürdige Umverteilung.“ Schwerer hatten es der Zimmermeister Roger Kuchenreuther und Tiermediziner Peter Zimmer. Das Rennen dürften wohl trotz aller Basisdemokratie die Etablierten machen. Mit einer rhetorischen Frage warnte Renate Künast vor Experimenten: „Wem vertraut ihr am ehesten, wenn einem der Wind um die Nase bläst?“ Während Claudia Roth vor allem bei Fragen zum Asylrecht und zur Gleichstellung aufdrehte, verteidigte Jürgen Trittin rot-grüne Politik unter Schröder, gestand aber auch Fehler ein. Dazu zählten fehlende Regelungen zur Zeitarbeit und zum Mindestlohn sowie eine falsche Steuerreform. Weitere Fragen aus dem Plenum betrafen Urheber,- und Wahlrecht, Tierschutz, Atomausstieg, Kirchensteuer und Studiengebühren. Der 39. Bundeskongress stand unter dem Motto „Gender das“, widmete sich also Themen rund um Geschlechterrollen. In Workshops diskutierten 450 Teilnehmer, von denen viele in Gelsenkirchen übernachteten.