Die Gelsenkirchener Inszenierung von Benjamin Brittens „Peter Grimes” ist die neunte Produktion der Oper für den Tenor Jan Vacik. Im Gespräch mit der WAZ verrät er, was ihn an der Rolle so reizt

Er hat schon alles miterlebt. Das Grummeln, die Wutausbrüche, die Verzweiflung. In acht verschiedenen Produktionen stand der Tenor Jan Vacik bereits als Peter Grimes in der gleichnamigen Oper von Benjamin Britten auf der Bühne. Nürnberg, Tel Aviv, Triest und Braunschweig zählen zu den Grimes-Stationen auf seinem Weg.

„An jedem Haus wurde das Werk anders gedeutet. Mal wurde Grimes als Päderast gezeichnet, mal als Autist. Ich persönlich glaube ja eher, dass er weder noch ist. Das ist einfach ein ruppiger Typ, ein Einzelgänger”, sagt Jan Vacik, der sich in die Figur hineinfühlen kann. „Ich habe eine professionelle Ausbildung zum Pop- und Jazzmusiker absolviert am Musikkonservatorium in Prag. Danach bin ich viel mit meiner Band auf Tour gewesen, manchmal 14 Monate lang am Stück. Da wird man automatisch zum Einzelgänger, zum einsamen Wolf”, betont Vacik.

Die Auftritte mit der Band, und die Songs, die er dafür schrieb, wurden dem gebürtigen Tschechen zum Verhängnis – er wurde ausgebürgert, kam über Umwege nach München und begann dort 1985 ein Gesangsstudium.

Drei Jahre später wurde Vacik als Solotenor an der Bayrischen Staatsoper München verpflichtet. Im gleichen Jahr debütierte er mit der Partie Poluxe in „Liebe der Danae” von Richard Strauß an der Mailänder Scala. Diverse Operngastspiele folgten.

Eines davon, am Staatstheater Braunschweig, erwies sich als besonders schicksalhaft. Hier schlüpfte Jan Vacik zum allerersten Mal in die Rolle des Peter Grimes. Das war vor 13 Jahren. „Mich hat diese Figur von Anfang an fasziniert”, erzählt er heute. „Grimes hat dieses unglaubliche Wissen und sehr ausgeprägte Naturkenntnisse. Er kann beispielsweise an den Sternen ablesen, wohin die Fische wandern, wenn der Sturm kommt. Deshalb fährt er auch als einziger Fischer bei stürmischen Wetter auf das Meer hinaus, während seine Kollegen verängstigt an Land bleiben.”

Das Ungestüme in Grimes sei es auch, was seinem Umfeld Angst mache. „Er verletzt die Jungen, die ihm anvertraut sind, nicht absichtlich”, betont Jan Vacik, dem die Gelsenkirchener Produktion am MiR sehr ans Herz gewachsen ist. „Die junge Regisseurin Elisabeth Stöppler hat eine unglaubliche Auffassungsgabe und eine sehr genaue Vorstellung davon, was bei diesem Stück transportiert werden soll. Was sie macht, ist Absolutes Theater, einfach sehr, sehr gut”, schwärmt der Tenor, der auch den musikalischen Leiter Rasmus Baumann, die Orchestermusiker und den Chor lobt. „Die Musiker sind fantastisch motiviert, da macht die Zusammenarbeit richtig Spaß”, so Vacik.

Er selber habe keine Minute gezögert, als Peter Grimes einzuspringen, als der Hilferuf aus Gelsenkirchen vor zweieinhalb Monaten kam. „Ich bin ja quasi wie ein singender Rettungs-Bernhardiner. Wenn jemand um Hilfe ruft, mache ich mich auf den Weg. Das MiR hat mich sehr neugierig gemacht, weil ich hier noch nie gearbeitet hatte. Bisher habe ich es nicht bereut, vor allem, weil das Team so nett ist.”