Metzger aus Gelsenkirchen wegen Betruges angeklagt. Dirk St. weist Vorwürfe vor dem erweiterten Schöffengericht vehement zurück. Prozessende offen. Dutzende Zeugen
Der Gammelfleisch-Skandal um Uwe D., der bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, hat Gelsenkirchen wieder eingeholt: Seit gestern muss sich mit Dirk St. (61) einer der bekanntesten Metzger am Ort vor Gericht verantworten, weil er über den Händler, der 2007 zu dreineinhalb Jahren verurteilt worden war, Gammelfleisch bezogen und verarbeitet haben soll.
Eine Gesundheitsgefährdung habe es durch den Verzehr dieser mit uraltem Putenabfall gestreckten Grillwürstchen nie gegeben, hieß es zu Prozessbeginn vor dem Erweiterten Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Steinbrinck. Allerdings forderte die Beschreibung der grauen Putenrestebrocken, kurz Putenhack genannt, die tiefgekühlt 2002 aus Dänemark nach Gelsenkirchen gekommen waren, schon robuste Magennerven.
Pute darf allenfalls eineinhalb Jahre tiefgekühlt aufbewahrt werden, danach gilt sie als „für den menschlichen Verzehr nicht mehr geeignet.” führte Staatsanwältin Dr. Handtke aus. Die Staatsanwaltschaft spricht in ihrer Anklage gegen den 61-jährigen Geschäftsmann sogar von gewerbsmäßigem Betrug. Das „Gammelfleisch” war mit 44 Cent pro Kilo angeblich deutlich günstiger als „normales” Fleisch, was seine Gewinnmarge pro Würstchen anhob.
Tausende solcher „gestreckter” Grillwürstchen wanderten nicht nur in Gelsenkirchen zwischen Brötchen, sondern landeten über Firmen und Vereine von Marl bis Mülheim auf den Grillrosten. Umschlagplatz des überlagerten Putenhacks waren die Kühlhäuser von Frigoropa in Gelsenkirchen. Hier bezog St. das gefrorene Putenfleisch, hier lagerte er auch eigene Wurstwaren, die ebenfalls längst ihr Haltbarkeitsdatum von hinten sahen. Wurstwaren, die er in seinen Geschäften aber noch verkaufen wollte.
Vorwürfe, die der Metzgermeister gestern vehement bestritt. Vorwürfe, die nur von den Medien so hoch gespielt worden seien und derentwegen er seine gesamte Existenz verloren habe. Er will heute von 200 Euro monatlich im Haus mit der Mutter leben müssen.
Der 61-Jährige gab zu, Putenfleisch von D. gekauft zu haben. Das habe er sich aber selbst ausgesucht und getestet. „Ich habe nie schlechte Ware verarbeitet: Nur das, was auch bei uns zuhause auf den Tisch kommt, ging über die Ladentheke.” Wenn dann doch einmal grauer Gefrierbrand am Putenhack gewesen sei, dann sei der eben abgeschnitten worden. Das mache jeder Metzger, man trenne „Gutes vom Schlechten.”
Der Prozess geht weiter. Wie lange, das ist offen. Allein das Gericht hat gut 30 Zeugen geladen. Die Verteidigung kündigte eben so viele an.