Gelsenkirchen. . Das Marienhospital hat seit kurzen eine eigens eingerichtete Station für todkranke Menschen.

Es gibt Krankheiten, da sind selbst die begnadetsten Ärzte mit all ihrer Kunst und High-Tech-Maschinen machtlos – unausweichlich ist der Tod – doch der Weg dahin kann heute mit Würde bis zum Ende gegangen werden – ohne Schmerzen. Begleitet werden dabei nicht nur der Sterbende, sondern auf Wunsch auch die engsten Angehörigen. Zu Hause oder auf einer Palliativstation, wie sie etwa das Marienhospital Gelsenkirchen erst vor kurzem eingerichtet hat.

„Unser vorrangiges Ziel ist es“, sagt Oberärztin Inka Hubo, „die Patienten so weit zu stabilisieren, dass sie – unterstützt durch eine ambulante Betreuung – in ihre vertraute häusliche Umgebung zurückkehren und dort so viel Zeit wie möglich verbringen können. So, wie es sich die meisten wünschen.“

Vier moderne Zimmer eingerichtet

Vier Zimmer für sechs Patienten stehen bereit, groß, modern eingerichtet und in hellen Pastelltönen gehalten. Dazu gibt es noch eine Art Wohnzimmer mit Küchenecke, damit auch Angehörige und Freunde bei Bedarf einmal durchatmen können. Allein die Inneneinrichtung hat fast 10.000 Euro gekostet, die Modernisierung der gesamten Station wohl sicher ein Vielfaches.

 Dr. med. Jürgen Schirp, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Marienhospital. Foto: Martin Möller
Dr. med. Jürgen Schirp, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Marienhospital. Foto: Martin Möller © WAZ FotoPool

20 Frauen und Männer, Ärzte, Schwestern und Pfleger, aber auch Seelsorger und Sozialarbeiter, kümmern sich um die Patienten. Sie sind speziell und lange ausgebildet, denn der Umgang mit dem unausweichlichen Lebensende erfordert neben jeder Menge Fachwissen „viel Feingefühl und mentale Stärke“, wie Chefarzt Jürgen Schirp betont. Keiner komme am Tod vorbei, doch nicht jeder wolle und könne diese Arbeit machen.

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Von Nikos Kimerlis

Wobei auf einer Palliativstation der eherne Grundsatz herrscht: Leben nicht künstlich zu verlängern, sondern Lebensqualität zu bewahren. Drainagen etwa bei Wasser in der Lunge, um die Atemnot zu lindern, sind vertretbar, ebenso kleinere Eingriffe, aber keine Apparategebirge, die einzig und allein lebenswichtige Funktionen aufrecht erhalten. Und: Hatte man vor gut 20 Jahren nur Morphium zur Verfügung, um stärkste Schmerzen zu lindern, gibt es heute eine Vielzahl neuer Medikamente: Das sind neben Tabletten, die sich schon im Mund auflösen und Spritzen auch als Pflaster die verabreicht werden können. Den Todeskampf an sich braucht niemand mehr zu fürchten.

Ohnehin sind es es die vermeintlich kleinen Dinge, die die Pein hier auf der Station in den Hintergrund drängen. „Massagen, insbesondere Aromatherapien, wirken nachweislich schmerzlindernd“, weiß Pfleger Marcel Baranski aus seinem Alltag zu berichten. Und erinnert sich an einen „glücklichen Moment“, als sich ein Patient nach einer Behandlung mit Lavendelöl in „seinen trauten Garten versetzt fühlte“. Oder Wunschkost zu Zeiten, die mehr dem Lebensrhythmus des Kranken entsprechen; für andere ist es der Umstand, dass Angehörige im Zimmer übernachten können, da sind, wenn es darauf ankommt.

Bedarf steigt deutlich an

Im vergangenen Jahr haben Schirp und sein Betreuerteam „80 Patienten palliativ behandelt, im ersten Halbjahr 2012 haben wir diese Zahl schon erreicht“. Nicht nur deshalb hat das Marienhospital sich dem Palliativnetz Gelsenkirchen, zu dem mittlerweile gut ein Dutzend niedergelassener Ärzte gehören, angeschlossen. Es ist auch dem demografischen Wandel geschuldet. Schätzungen gehen nach Angaben von Jürgen Schirp dahin, dass Mitte dieses Jahrhunderts mehr als 55 Prozent der Menschen über 60 Jahre sind, einhergehend mit einem mindestens ebenso starken Anstieg an Demenzfällen und bösartigen (Tumor-)Erkrankungen.

Etwa zehn bis 14 Tage verweilen die Patienten im Durchschnitt auf der Station. Hier zeigt den Angehörigen die Ärzteschaft und auch das Pflegepersonal, wie etwa Verbände vorsichtig gewechselt, Patienten sachte gewaschen und Nahrungssonden behutsam gelegt werden. All das, weil die Scham vor Fremden – noch dazu die schwindende körperliche Verfassung – oftmals eine größere Rolle spielen als gemeinhin angenommen. Und sich Sterbende zutiefst die Nähe zu ihren Liebsten wünschen. Das zeigen die Erfahrungen der Ärzte.

Der Tod ist unausweichlich in der letzten Lebensphase, da ist es tröstlich, sich einen letzten Rest Vertrautheit zu bewahren.