Gelsenkirchen. Die Schalker Eisenhütte ist tief in den roten Zahlen. Nun drohen Jobverlust und Verlagerung. Zum Protestauftakt gibt’s die Kugel – die IG Metall hat den Eismann geordert. Auf den Plakaten der Mitarbeiter steht „Eiszeit bei Schalke“.
Schoko geht gut. Vanille ebenfalls Robert Sadowsky, 1. Bevollmächtigter der IG Metall, hat auch Zitrone an „Ronzos“ Eiswagen geordert. Es gießt, der Wind bläst kühl. „Eigentlich wär’ Glühwein besser“, scherzt jemand unter dem blauen Pavillon auf dem Hof der Schalker Eisenhütte. Oberbürgermeister Frank Baranowski hat dort Schutz vor dem Regen gesucht, DGB-Chef Josef Hülsdünker und Wirtschafts-Stadtrat Joachim Hampe stehen an seiner Seite. Die Konstellation zeigt: Es geht um was an der Magdeburger Straße 37. Demonstrierte Solidarität ist angesagt.
Die Fertigungs-Belegschaft strömt aus einer Hallentür. 30, 40, 50 Männer im Blaumann, mit entschlossenen Gesichtern. Plakate werden entrollt. Auf einem steht „Eiszeit bei Schalke“. Gemeint sind nicht die Kugeln im Hörnchen. Die sind nur nettes Beiwerk für einen „freundlichen“ Protest zur Frühstückspause, wie es die Metaller formulieren. Seit einigen Tagen kochen in dem Traditionsbetrieb mit immerhin fast 140-jähriger Geschichte die Emotionen in der Belegschaft hoch. Sie fürchtet den Jobverlust und eine Radikalkur. Zeit für die IG Metall, deutlich die Muskeln zu zeigen.
Überraschender Interessenausgleich
Dem Betriebsrat hat die Geschäftsführung letzte Woche überraschend einen Interessenausgleich vorgelegt. Demnach drohe ein drastischer Belegschaftsabbau und eine Teil-Verlagerung nach Bochum – zur Eickhoff-Gruppe, zu der die Schalker gehören. Von den 210 Mitarbeitern vor Ort, so die Befürchtungen, würde dann nur noch ein Drittel bleiben. „Der kaufmännische Bereich soll komplett zugemacht werden“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Rainer Wemhöner. „Da spürt man schon eine gewisse Schockstarre.“
Die Geschäftsführung wurde vom Betriebsrat aufgefordert, „die Umsetzung einer Betriebsänderung zu unterlassen“, betont Wemhöner und verliest das „Schalker Manifest“. Durch schwere Managementfehler und Fehleinschätzungen, heißt es da, sei die Schalker Eisenhütte tief in die roten Zahlen geraten. „Deutliche Veränderungen sind nötig, um das Unternehmen wieder zu gesunden“, aber eine Sanierung sei nur mit der Belegschaft durchführbar. „Wir lehnen ein Konzept der Kahlschlagsanierung ab.“ Gefordert wird im Manifest und den Reden an diesem Vormittag ausreichend Zeit und Zahlen, „um ein alternatives Fortführungskonzept zu entwickeln“, ebenso der „Erhalt eines funktionsfähigen Standorts Schalke, der Zusammenhalt der Belegschaft und der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen.“
„Diese Entwicklung war eine Nummer zu groß für uns“
Seit sechs Jahren leisten die Mitarbeiter einen Beitrag zur Standortsicherung. 1,5 Arbeitsstunden pro Woche werden nicht bezahlt, eine weitere Stunde wird gewinnabhängig vergütet. Dem Vernehmen nach haben die Schalker seit 2010 rund 20 Mio Euro Verlust angehäuft. Gewinnausschüttungen blieben da zwangsläufig aus. Der Sanierungstarifvertrag wurde bisher dreimal verlängert – zuletzt bis zum 30. September 2012.
Verhoben hat sich der Betrieb offenbar vor allem an einem Lok-Projekt, der Entwicklung der SDE 1800. Beim Arbeitnehmerempfang im April 2011 stand der Prototyp in der Halle. Die Schalke-Lokomotive ist für den Vollbahnbetrieb geplant. „Diese Entwicklung war eine Nummer zu groß für uns“, glaubt der Betriebsrat.
„Eine Konsolidierung funktioniert nie gegen die Beschäftigten“ – Baranowski und Hülsdünker zeigen sich kämpferisch. Für sie geht es um einen Standort, der eine „moderne, technologieorientierte Zukunft“ haben müsse. Und es geht um den Dialog. Den Eickhoff-Vorstand hat der OB Montag angeschrieben und „ihn eingeladen, das Gespräch zu suchen“.
„Es gibt keine Konfrontation“ aus Sicht der Geschäftsführung
Kokereimaschinen und Schienenfahrzeuge vornehmlich für den (Tage)-Bergbau, Tunnelbau und Rangierbetrieb konstruiert und fertigt die Schalker Eisenhütte Maschinenfabrik GmbH. Nach der Jahrtausendwende geriet die Firma bereits in schweres Fahrwasser, baute dann aber den Betrieb aus. „Eigentlich hatte ich gedacht, dass die Schalker Eisenhütte nach der Sanierung 2006 auf einem guten Weg ist“, sagt Frank Baranowski. Freitag schließlich bat die IG Metall den OB dringend um Rückruf. „Da hatte ich schon ein ungutes Gefühl“ – das sich bestätigte.
„Es gibt keine Konfrontation“ aus Sicht der Geschäftsführung und bislang auch lediglich „den Entwurf eines Interessenausgleichs und die Aufforderung zur Verhandlung.“ Betont wird dort: „Wir glauben an die Produktbereiche. Unterm Strich ist aber Fakt, dass wir in die Sanierung müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Bereiche sicher zu stellen.“ Wie, werde sich erst in ein, zwei Monaten zeigen.