Gelsenkirchen.

1952: Petticoat und Nylons sind groß in Mode, das Wirtschaftswunder kommt in Schwung, Eisenhower ist neuer Präsident der USA, das Bundesland Baden-Württemberg wird gegründet – und das Sozialwerk St. Georg in Gelsenkirchen. Genauer gesagt in der Pfarrgemeinde St. Barbara in Erle. Hier entstand das erste Berglehrlingsheim, in dem später Menschen mit geistiger Behinderung oder psychischen Erkrankungen untergebracht wurden. Bis heute ist die St. Georg-Dependance in Erle „Haus 1“.

Vom ersten Haus zum sozialen Dienstleistungsunternehmen mit heute 2500 Mitarbeitern für 4000 Menschen mit Assistenzbedarf in unterschiedlicher Intensität: 60 Jahre Sozialwerk St. Georg sind in dieser Woche Grund für eine dreitägige Jubiläumsfeier mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Nach dem Festakt gab es Rudelgucken mit Vuvuzelas

Unter dem Motto „Gemeinsam.Anders.Stark“ stand so auch der Festakt am Mittwochabend in der Kaue der ehemaligen Zeche Graf Bismarck. Hierher zog es das expandierende Sozialwerk, nachdem das Bergwerk trotz massiver Proteste am 30. September 1966 stillgelegt worden war.

Und hier gratulierte unter anderem stellvertretend für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als Schirmherrin des Jubiläums NRW-Arbeits- und Sozialminister Guntram Schneider (SPD). „Nach dem Festakt gab es in der Kaue Rudelgucken mit Vuvuzelas“, schmunzelte Hubert Burmann denn gestern, beim großen Parkfest auf dem Bismarckgelände. Der Kaufmännische Leiter des Geschäftsbereichs Ruhrgebiet hat die Feierlichkeiten federführend mit einem Mitarbeiterteam organisiert.

Und als die graue Wolkendecke gestern Mittag aufriss und die ersten Sonnenstrahlen durchließ, ließ auch die Anspannung nach. Ein großes Open-Air-Fest mit allein 3500 angemeldeten Besuchern und insgesamt erwarteten 4500 Menschen – da durfte es einfach nicht regnen.

"Wir müssen die Menschen in die Mitte der Gesellschaft holen"

Am Rande des bunten Festes mit vielseitigen Angeboten für die Sinne, mit Musik und einer eindrucksvollen Abrahams-Andacht gleich zu Beginn, erläuterten St. Georg-Vorstandssprecher Dieter Czogalla und Vorstand Wolfgang Meyer ihre Sicht von Inklusion. „Wir müssen die Menschen in die Mitte der Gesellschaft holen“, meinte etwa Czogalla. „Wir müssen sie mitnehmen.“

Es müssten Heimstrukturen mit familiärem Charakter geschaffen werden, die Menschen mit Behinderung ermöglichen, entsprechend ihrer Fähigkeiten weitgehend normal zu leben, ohne sie auszugrenzen. Auch hier fiel der fast schon legendäre Satz: „Inklusion fängt im Kopf an.“

Dass man auf dem Weg dorthin ist, dafür mögen aktuelle Zahlen sprechen. So hat das Sozialwerk beispielsweise in NRW inzwischen über 500 Wohnungen angemietet. Mehr als 1000 Patienten werden nur ambulant betreut.

Die Menschen, die vom Sozialwerk St. Georg betreut werden, seien ein Spiegelbild der Gesellschaft. Auch, was das Alter angeht. Da sei man inzwischen auch beim demografischen Wandel angekommen, meinte Dieter Czogalla. Kehrseite der Medaille: „Wir haben eine starke Zunahme bei psychischen Erkrankungen.“ Auch das sei die Gesellschaft.