Gelsenkirchen/Marl. Wenn die Polizei Sie auffordert, mal die Hose zu öffnen und in aller Öffentlichkeit zu pinkeln – verlieren Sie nicht die Fassung. Alles in Ordnung. Es ist eine neue Form des Drogentests, der „Drug Wipe 5“. Einem Gelsenkirchener Familienvater war die Situation so unangenehm, dass er nun einen Anwalt eingeschaltet hat.

Nikolaus Müller (Name von der Redaktion geändert) verlor die Fassung. Der Gelsenkirchener (35) wurde jüngst in der Unterführung der Bergstraße am Einkaufszentrum Marler Stern angehalten. Die Polizei wollte einen Drogentest. Wenn es schnell gehen solle, dann könne er rübergehen zu den Containern, dort in einen Becher pinkeln. Zwei Minuten später könnten die Beamten an einem Teststreifen ablesen, ob er Drogen genommen habe.

Nikolaus Müller war das Gespräch höchst unangenehm, sagt sein Rechtsanwalt Dirk Rütten (33). Denn im Auto saßen seine zwei Kinder (sechs und neun Jahre alt), die hörten mit. Die könnten das Gespräch falsch verstehen, sorgte sich ihr Vater. Möglicherweise würden sie das Erlebnis weitererzählen und damit höchste Verwirrung auslösen.

Die Kinder hörten mit

Die Sorge ist durchaus berechtigt. Denn der neue Drogen-Schnelltest hört sich nicht nur unglaublich an, er ist auch noch weitestgehend unbekannt. Anwalt Rütten mochte die Geschichte seines Mandanten zunächst gar nicht glauben. Und eine Nachfrage der WAZ im Polizeipräsidium in Recklinghausen ergab, dass auch dort das neue Verfahren noch nicht allgemein bekannt ist.

Üblich ist bislang der Schnelltest „Drug Wipe“. Dabei wird mit einem Streifen Papier Schweiß von der Handinnenfläche aufgenommen (es darf auch Spucke sein). Nach 20 Minuten zeigt die Verfärbung an, ob es Anhaltspunkte für Betäubungsmittel gibt. Dann folgt eine Blutprobe auf dem Revier und gegebenenfalls eine Anzeige. Seit Ende letzten Jahres bietet das Präsidium einen anderen Schnelltest an: „Drug Wipe 5“ zeigt schon nach zwei Minuten an, ob der Urinlasser Drogen genommen hat.

Das werde inzwischen häufiger gemacht, erläuterte die Pressestelle des Polizeipräsidiums. Eine Verpflichtung bestehe nicht. Man habe Verständnis, dass nicht jeder „auf Anhieb“ Wasser lassen könne. Andere versagten unter dem öffentlichen Druck. Denn was üblicherweise strengstens untersagt ist, öffentliches Urinieren, das wird bei diesem Drogen-Schnelltest ausdrücklich gewünscht. Eine Erleichterung in Form eines Sichtschutzes bietet die Polizei nicht. Um eine Abgeschiedenheit muss sich der Betroffene selber kümmern – oder auf diese Testversion verzichten.

Container als Sichtschutz

Dem Gelsenkirchener Familienvater bot die Polizei die Container als Sichtschutz an. Doch das behagte dem gar nicht. Die Polizei habe auf einem Urintest bestanden, berichtet der Anwalt. Und gedroht, er werde in Handschellen auf die Wache gebracht. Einen Schweiß- oder Speicheltest habe man ihm nicht ermöglicht. Der Gelsenkirchener ist über das Verhalten der Polizei aufgebracht. Anwalt Rütten kündigte eine Dienstaufsichtsbeschwerde an.