Gelsenkirchen. Das Projekt „Teach First“ fördert Schüler mit schlechten Startbedingungen. Anián Staudigl ist an der Mulvany Realschule im Einsatz.

Eigentlich könnte Anián Staudigl (26) in einem großen Wirtschaftsunternehmen tätig sein oder an Universitäten unterrichten. Dafür bringt er die besten Voraussetzungen mit. Doch der 26-Jährige arbeitet nicht in einem gut bezahlten Bürojob, sondern hilft als Lehrkraft auf Zeit an der Mulvany Realschule aus. Seit drei Monaten nimmt Anián an dem bundesweiten Projekt „Teach First“ teil und greift als sogenannter „Fellow“ den Lehrern unter die Arme.

„Ziel ist es, benachteiligte Schülerinnen und Schüler gezielt zu fördern und ihnen bessere Chancen zu eröffnen“, erklärt Kara Zumbrink, Trainerin bei „Teach First“. „Die Fellows unterstützen Lehrer im Unterricht, leiten Projekte und AGs oder kümmern sich ganz gezielt um einzelne Schüler. Sie übernehmen Aufgaben, die Lehrkräfte zeitlich nicht leisten können.“

Ausschließlich Hochschulabsolventen

Für die Bildungsinitiative werden ausschließlich Hochschulabsolventen mit überdurchschnittlichen akademischen Leistungen und besonderer persönlicher Eignung ausgewählt. „Es reicht nicht unbedingt aus, wenn jemand sein Studium mit 1,0 besteht“, sagt Zumbrink. „Wir achten darauf, dass sich die jungen Menschen auch zuvor schon in anderen Bereichen engagiert haben.“ So bringen die Fellows ganz unterschiedliche Qualifikationen mit und werden an der Schule eingesetzt, an der sie ihre Kenntnisse am besten einbringen können.

Über einen Zeitraum von drei Monaten werden sie durch pädagogisches Intensivtraining auf ihren Einsatz vorbereitet. Zwei Jahre lang gehen sie dann an die Schule.

„Nach dem Studium dachte ich: wenn nicht jetzt, wann dann?“, erzählt Staudigl, der sich nicht zum ersten Mal für andere Menschen engagiert. Er studierte zunächst International Business in Passau und später Politik in Frankreich. Nachdem Hurrikan Katrina im Südosten der USA enorme Schäden verursachte, ging er nach New Orleans, um beim Wiederaufbau zu helfen. „Dort hörte ich zum ersten Mal vom Teach First Konzept. In Deutschland gab es das aber noch nicht.“ Also absolvierte er nach seiner Rückkehr zunächst den Master.

Jetzt kam der 26-Jährige aus dem bayerischen Rosenheim nach Gelsenkirchen. „Für die Schüler ist er sowohl Lehrer als auch Kumpel“, sagt Konrektorin Ulrike Iwanek. „Er hat einen guten Zugang zu ihnen.“ So ist er nicht nur Ansprechperson für die Kinder und Jugendlichen, sondern bietet unter anderem sportliche Aktivitäten wie Jonglage und Slackline in der Mittagspause oder Kletterkurse in Form von Wandertagen an. Auch individuelle Förderung gehört zu seinen Aufgaben. Eine Gruppe von Neuntklässlern unterstützt er beispielsweise im Fach Englisch oder gibt einer polnischen Schülerin Einzelunterricht in Deutsch. In den Fächern Musik, Wirtschaft und Mathematik gestaltet er zusammen mit den Lehrerkollegen Unterrichtsstunden. Benoten muss er die Schüler aber nicht.

Öffentlich finanziert

Die Gehälter der Fellows in Höhe von 1700 Euro brutto werden öffentlich finanziert. Die Ausgaben, die für Anwerbung, Auswahl, Training, Betreuung und Fortbildung der Fellows entstehen, übernehmen Stiftungen, Privatpersonen und Unternehmen. Größter Hauptförderer ist seit 2009 die Deutsche Post DHL, die Anfang des Jahres bekannt gegeben hat, dass sie die erfolgreiche Zusammenarbeit für weitere drei Jahre fortsetzen wird. „Wir sind global tätig, aber regional orientiert“, sagt Karl-Heinz Behrens, Niederlassungsleiter Deutsche Post in Essen. „Die Bildungsförderung ist dabei eines der Schwerpunktthemen unserer „Living Responsibility“-Strategie. Es ist uns wichtig, auch hier vor der Haustür vielen Kindern und Jugendlichen zu helfen.“

Bei Anián Staudigl muss es übrigens nicht immer ruhig im Klassenzimmer sein. „Mir ist wichtig, dass sich die Schüler frei entfalten können.“