Gelsenkirchen.
Das Gedächtnis schwindet, „als leere man eine Requisitenkammer im Theater“. Literarische Beschreibung einer wachsenden gesellschaftlichen Realität, die eine entsprechende Umgangskultur erfordert: Demenz.
Am Nullpunkt fängt man in Gelsenkirchen bei diesem Thema nicht an. „Wir haben schon einiges in dieser Stadt erreicht. Wir haben eine massive Lobby, wir haben die Alzheimer-Gesellschaft gegründet, wir haben Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und Demenzwohngruppen.“ Dennoch, sagte Gelsenkirchens Senioren- und Behindertenbeauftragter Dr. Wilfried Reckert bei einer Info-Veranstaltung des Forums Demenz in dieser Woche, habe man noch lange nicht alles erreicht.
Der Weg zur demenzfreundlichen Kommune
Man will sich seinen Worten zu Folge auf den Weg zur demenzfreundlichen Kommune machen. „Wir wollen eine aufmerksame Gesellschaft“, formulierte er eine Zielvorstellung. Die Informationsrunde im Internationalen Migrantenzentrum in Bismarck war so etwas wie der erste öffentliche Aufschlag bei der Vorbereitung einer breit angelegten Demenzkampagne im Juni kommenden Jahres, die unter der Arbeitsflagge: „Bunte Stadt - Lebenswert mit Demenz“ segelt.
Längst haben sich Ärzte, Träger, Einrichtungen und Dienste der Altenarbeit, die Alzheimer-Gesellschaft Gelsenkirchen proDem e.V. sowie die Stadt zum Forum Demenz Gelsenkirchen zusammengeschlossen. Jetzt sollen weitere Akteure mit in Boot geholt werden. Privatdozent Dr. Elmar Busch ist neben Reckert einer der drei Sprecher des Forums.
Der Chefarzt der Neurologie an den Evangelischen Kliniken sagte bei der Vorstellung des Themenspektrums, die Krankheit eröffne auch einen philosophischen Blick auf das Gehirn. „Daran knüpft sich die Frage: Was macht den Mensch eigentlich aus?“ Es gebe ein ganzes Spektrum von Demenzstörungen. Er hält Netzwerke für wichtig. „Davon profitieren alle.“
Am Anfang leiden die Kranken am meisten
Ingrid Wüllscheidt, Vorstandsmitglied der Alzheimer-Gesellschaft, warb dafür, Demenzkranke nicht zu isolieren, sondern sie in der Gemeinschaft zusammenleben zu lassen. Die Pflege-Expertin erklärte den Zuhörern, was die Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Gehirns auslöse. Auffällig sei an erster Stelle der Gedächtnisverlust, gefolgt von der Beeinträchtigung der Alltagskompetenz („Was sind Euro? Wer bin ich?“) und ersten Sprachstörungen.
„Im Anfangsstadium der Demenz merken Kranke das und leiden darunter“, sagte Ingrid Wüllscheidt. Später irritiere der Demente seine Umgebung, „weil er sich nicht mehr so verhält, wie es sein gesellschaftliches Umfeld für normal hält und von ihm erwartet“. Sie appellierte an die große Runde: „Helfen Sie dabei, dass die Stadt freundlicher wird und Demente keine Angst mehr haben müssen, ausgelacht zu werden.“
Im Verlauf der Demenz-Aktionswoche im Sommer 2013 soll die Öffentlichkeit für den Umgang mit Erkrankten sensibilisiert werden. Demenziell Erkrankte werden teilhaben, sollen hinkommen, wo sie sonst nicht sind.
Noch etwas könnte die Aktion bewirken: Einen geschulteren Umgang mit Dementen in Notfällen. Die Alzheimer-Gesellschaft, so hieß es, bekomme mit, wie hilflos und überfordert beispielsweise Polizei, Feuerwehr oder Verwaltungsmitarbeiter seien, wenn sie mit einem Demenzkranken konfrontiert werden würden. Der nicht mehr wisse, was gerade geschieht.