Das „Modellprojekt Nahversorgung im Quartier als integriertes Handlungs- und Förderkonzept für den Tossehof” geht an den Start.
Man könnte es auch so formulieren: Ab Dienstag gibt's nach langer Durststrecke in der Siedlung wieder Milch, Hackfleisch, Joghurt, Äpfel, Gouda und Salat aus einer Hand - im „carekauf”, dem neuen Vollsortimenter für den Tossehof.
Vor drei Jahren wurde die Idee geboren, seit eineinhalb Jahren treibt die Caritas das integrative Projekt als Motor voran - und kann es dank der Unterstützung vieler Partner (siehe rechts) in der seit neun Jahren leer stehenden (Supermarkt-)Immobilie Am Ravenbusch endlich realisieren.
„Integrativ” heißt: Im Supermarkt und dem angeschlossenen Nachbarschaftscafe werden zunächst 14 Menschen einen Job finden, die es auf dem 1. Arbeitsmarkt wegen einer Schwerbehinderung oder anderer Vermittlungshemmnisse nicht leicht haben. An professioneller Anleitung soll's nicht mangeln. „Supermarkt-Leiter wird Klaus Bahlo, der mehr als 40 Jahre Erfahrung im Einzelhandel hat”, sagt Christian Stockmann (Caritas), Geschäftsführer der gegründeten gemeinnützigen Integrationsfirma. Und: Im Nachbarschaftscafe´, in dem es Frühstück, Snacks und Kaffee & Kuchen zu kleinen Preisen geben soll, arbeitet der gelernte Konditor Uwe Müller, der zudem in der Sozialassistenz und der Demenzbegleitung ausgebildet ist.
„Einmalig” sei dieses Projekt in NRW und wohl auch bundesweit, sagt Michael Schneider vom Integrationsamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Neu sei die Kombination aus Stadtentwicklung und sozialpolitischen Zielen - „und als Erfolgsmodell auch auf andere Städte oder Viertel übertragbar”, glaubt er.
Und in der Tat: „carekauf” zieht bereits vor der Eröffnung Kreise. In Unna wird noch in 2009 unter dem Caritas-Dach ein solcher Supermarkt eröffnet, und auch für Kölner Norden ist ein ähnliches Projekt geplant. Und: „Wir haben Anfragen mehrerer interessierter Städte, die sich informieren wollen”, sagt Stockmann.
Und was erwartet den Kunden auf den 720 Quadratmetern des neuen Hüller Supermarkts? Zunächst mal das, was ihn auch in anderen Läden erwartet: ein (fast) vollständiges Sortiment zu normalen Preisen. Dafür sorgt der Lieferant Rewe (Region West), der auch bei der Qualifizierung der (größtenteils) in Vollzeit beschäftigten Mitarbeiter aktiv war. Dass es auch mal kleinere Einschränkungen wie z.B. längere Wartezeiten geben wird, verschweigt die Caritas nicht.
Anders als in „normalen” Läden soll es Am Ravenbusch noch weitere Dienstleitungen geben, die vor allem auf älteren Bewohner der Siedlung zielen, betont Caritas-Chef Peter Spannenkrebs. Einen Lieferdienst beispielsweise. Oder breite Gänge, in der auch zwei Rollatoren nebeneinander rollen können. Und: „auxelia”, der familienunterstützende Dienst der Caritas, soll ebenfalls im Tossehof präsent sein.
Rückendeckung gab es für das Projekt auch von Stadt und Politik: Über den Bebauungsplan wurde sichergestellt, dass in der näheren Umgebung des Stadtumbaugebiets Tossehof kein neuer Discounter für Konkurrenz sorgt. Dass es trotz all dieser Bemühungen nicht einfach wird, in der zurzeit von rund 3300 Menschen bewohnten Siedlung Kunden zu gewinnen, weiß Christian Stockmann: „In den vergangenen Jahren ist hier schließlich niemand verhungert.”
Viele Beteiligte
Viele Köche verderben den Brei? Bei „Carekauf” lag im Miteinander von vielen Partner das Erfolgsrezept: Nur so konnte dieses Projekt der Caritas erst möglich gemacht und vor allem finanziert werden. Bis zur Eröffnung in der vergangenen Woche wurden rund 750 000 Euro aus verschiedenen Töpfen in den Umbau und die Einrichtung des neuen Supermarkts gesteckt.
Beteiligt als Geldgeber, Förderer und/oder Kooperationspartner sind: der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die Aktion Mensch, die Stiftung Wohlfahrtspflege, Rewe, Stadtumbau West/Soziale Stadt, das Integrationscenter für Arbeit und die Arbeitsagentur sowie die GGW. Die Stadttochter streckte 96 000 Euro zur Vorfinanzierung der Instandhaltung der Supermarkt-Immobilie vor, obwohl sie gar nicht Eigentümerin ist.
Für den Anfang plant die Caritas mit einem Jahresumsatz von 1,2 Millionen Euro. Kein leichtes Unterfangen, wie Christian Stockmann (Caritas) weiß. Und: Auf lange Sicht soll der Umsatz sogar noch gesteigert werden: „Wir wollen schließlich noch weitere Mitarbeiter einstellen”, sagt der Projektleiter.
Die Eröffnung
Promis wie NRW-Sozialminister Laumann und OB Baranowski, aber vor allem viele Bürger erwartet die Caritas zur Eröffnung von carekauf am Dienstag, 28. April. Los geht es Am Ravenbusch 2 um 10 Uhr. Auf dem Programm: Aktionen von Kitas, Trommelgruppe, Schminktisch, Zaubereien, ein mobiler Spielplatz und mehr.