Gelsenkirchen. In den Evangelischen Kliniken ging es um Schmerz-Auslöser, Behandlungsformen und die Psyche der Patienten – viele der Zuhörer, zeigte sich nach den Fachreferaten, haben einen schmerzvollen Leidensweg hinter sich.
„Schmerz lass nach“, so lautete der Titel des WAZ-Medizinforums in den Ev. Kliniken. Und so lautete der Herzenswunsch jener, die gekommen waren, um mehr zu erfahren über mögliche Behandlungsformen.
Was ist Schmerz? „Schmerz ist das, was der Patient angibt, wann immer er es angibt“, erklärte der erste Referent des Abends, Elmar Stein, Leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie.
Die Entstehung des Schmerzes
Doch wie entsteht Schmerz? „Nehmen wir an, man schneidet sich in die Hand. Dann werden Substanzen freigesetzt, die die Nervenfasern stimulieren. Das Signal wird weiter geleitet ins Rückenmark und dort übergeben. Erst von da aus gelangt die Information ins Gehirn, wo der Patient den Schmerz bemerkt und bewertet.“
Und genau hier liegt der Schlüssel zur erfolgreichen Schmerztherapie. Denn jeder Mensch empfindet Schmerzen anders. Daher muss in der Praxis der individuelle Schmerz erkannt werden. „Hierfür haben wir verschiedene Messwerkzeuge entwickelt“, so der Mediziner. Das häufigste ist denkbar simpel, eine Skala, auf welcher der Patient sich selbst sieht.
Und anhand dessen werde therapiert. Zum einen mit Nicht-Opiaten wie Paracetamol und Ibuprophen. Dann gibt es die Opiate, wie Morphin. Eine weitere Möglichkeit sind Lokalanästhetika. Und immer gehören als vierte Gruppe auch Co-Analgetika dazu, die die Nebenwirkungen der Schmerzmedikamente beheben sollen.
Psyche spielt große Rolle
Bestehen Schmerzen länger als sechs Monate, spricht man von chronischen Schmerzen, das Thema von Dr. Jutta Schröder, Oberärztin und Leiterin des Bereichs Schmerztherapie und Palliativmedizin. „Bei einer Schmerzchronifizierung kommt es zu einer ständigen Überflutung der Rezeptoren.“ Die Selbstheilungskräfte des Körpers werden ausgehebelt. „Die Zelle ist nur noch darauf programmiert, den Schmerz weiter zu leiten.“
Zur Überraschung vieler ging die Medizinerin weniger auf die medikamentösen Möglichkeiten der Therapie ein. Vielmehr verdeutlichte sie praxisnah die psychologischen Aspekte. „Die Psyche spielt eine große Rolle. Stellen sie sich vor, sie verbrennen sich die Hand beim Kochen. Aber abends erwarten sie Besuch, erleben einen schönen Abend.
Da vergessen sie den Schmerz. Und jetzt stellen sie sich vor, es ist ein trüber Novemberabend, sie sind allein, im Fernsehen läuft nichts. Da schmerzt ihre Hand den ganzen Abend.“ Soll heißen, es kommt auch auf die Rahmenbedingungen an, auf die eigene Gefühlswelt. „Unsere Psyche beeinflusst die Verarbeitung von Schmerz.“
Die Wunderpille gibt es nicht
Und gleichzeitig ist das Ganze ein Teufelskreis. „Langjähriger Schmerz schwächt die Leistungsfähigkeit, man erlebt einen Verlust an Selbstwertgefühl, wird ängstlich und depressiv.“ Am Ende steht dann oft die soziale Isolation. Zumal der chronische Schmerz gegenüber dem akuten weniger gesellschaftlich anerkannt sei.
„Aber gerade hierfür gibt es eben nicht die Wunderpille. Das Ziel unserer Therapie ist es, den Patienten zum eigenen Manager auszubilden, die Funktionalität des Körpers wieder herzustellen, die Lebensqualität zu verbessern.“
Daran arbeitet auch der Diplom-Psychologe Thorsten Manger. Ausgehend vom Verhaltensdreieck nämlich beeinflussen das Denken, das Fühlen und die Motivation unser Handeln. Und vor allem individuelle Faktoren. Gelerntes Verhalten etwa spiele eine große Rolle im Umgang mit dem eigenen Schmerz.
Doch was tun? Es gibt viele Möglichkeiten der Psychotherapie wie etwa das Erlernen von Entspannungsverfahren oder Aufmerksamkeitslenkung. „Ich habe ein bestimmtes Maß an Bewusstsein. Und der Schmerz ist ein imposanter Eindruck. Dennoch kann man seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken, wenn man zum Beispiel eine Rosine bewusst isst, sie fühlt, riecht, schmeckt. In dem Moment wo man sich darauf konzentriert, lässt der Schmerz nach.“