Gelsenkirchen. . Dr. Klaus löste im Dezember 2010 seine Praxis in Bismarck auf und leitet seitdem ein Krankenhaus in Pakistan. Dort kämpft er mit viel zu wenig Personal gegen hygienische Missstände an. Das Klinik-Gelände darf er nur mit einer Militär-Eskorte verlassen.

Dr. Klaus (56) ist quasi ein Arzt ohne Grenzen. Ende 2010 hängte er seine Praxis in Bismarck an den Nagel und trat seine neue Stelle an – als Leiter eines Krankenhauses in Pakistan. Bis Donnerstag ist der Chirurg noch in Deutschland, verbringt hier gezwungenermaßen seinen Urlaub. Entspannen kann er nicht: „Wenn ich hier in Deutschland bin, weiß ich, dass deshalb pro Woche zehn bis 15 Menschen in Pakistan sterben.“

Der 56-Jährige ist in dem von Missionsgesellschaften und Kirchen betriebenen Krankenhaus, dem „Christian Hospital“ in der Ortschaft Tank, der einzige – man muss es so sagen – „vernünftige“ Arzt. Von sechs Planstellen sind nur zwei besetzt. Auf seinen Assistenten Dr. Atif hält der Gelsenkirchener aber große Stücke, menschlich wie beruflich: „Ich hoffe, dass ich ihn Ende des Jahres so weit habe, dass er zumindest Kaiserschnitte machen kann.“ Weil in Pakistan Hausgeburten üblich sind und pränatale Untersuchungen nicht in Anspruch genommen werden, kommen schwangere Frauen nur dann ins Krankenhaus, wenn es bei der Geburt zu Komplikationen kommt. Und oft kommen sie zu spät und Mutter und/oder Kind sterben. Der Einzugsbereich des Hospitals ist so groß, dass manche Patienten mehrere Tage für die Anreise benötigen.

Das Personal ist schlichtweg nicht in der Lage, Leben zu retten. Zumindest nicht in einem akzeptablen Ausmaß. Und wenn Dr. Klaus bis Ende 2012 nicht genug Ärzte in seinen Reihen beim Christian Hospital Tank weiß, wird er den Urlaub in Deutschland ausfallen lassen. Die Deutsche Missionsgemeinschaft besteht aber darauf, dass der Chirurg Urlaub macht. „Die wollen auch keine völlig ausgebrannten Ärzte haben. Aber mit diesem Druck, dass in dieser Zeit Menschen sterben, vor allem Kinder, kann ich nicht leben.“ Sollte es in dieser Angelegenheit zum Konflikt mit der DMG kommen, will Dr. Klaus wenigstens versuchen, seinen Urlaub in Pakistan zu machen.

Aus Rücksichtnahme auf seinen Arbeitgeber möchte der Chirurg in der Zeitung nur Dr. Klaus genannt werden. So wird er von seinen Kollegen in dem pakistanischen Krankenhaus auch angesprochen. Aus Angst vor möglichen Entführungen durch Taliban ist der Mediziner aus Bismarck dazu angehalten, seinen vollen Namen nicht zu nennen. Das findet Dr. Klaus zwar ein bisschen paranoid, aber er hält sich daran. „Ich persönlich bin noch nie bedroht worden. Aber ein Arzt, der bei uns gearbeitet hat, ist vor einigen Jahren für 30 Tage von Taliban entführt worden.“ Der Pakistani wurde ausgelöst, kehrte wohlbehalten zurück. Dennoch lebt er heute in Australien – sicher ist sicher.

Bei Fahrten durch die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa werden Dr. Klaus und seine Kollegen deshalb vom Militär eskortiert. „Das ist von der Regierung so vorgeschrieben und wir müssen für jeden Aufenthalt außerhalb des Krankenhaus-Geländes eine Eskorte beantragen.“ Aber Dr. Klaus verbringt den größten Teil seiner Zeit ohnehin auf dem Areal der Church Of Pakistan. Dort bewohnt er ein geräumiges Apartment, in das sich auch schon eine giftige Schlange und ein nicht wesentlich ungiftigerer Skorpion verirrt haben. Zehn bis 15 Mückenstiche „sammelt“ Dr. Klaus pro Tag – trotz Moskitonetz, Autan und Anti-Mücken-Chemikalien, die im Haus des Arztes verdampfen. Für Einkäufe muss er jemanden in den Ort schicken. Auch ist er noch auf einen Dolmetscher angewiesen. Aber Dr. Klaus lernt weiter fleißig Urdu und Paschtu.