Die historische Seifert-Orgel der evangelischen Kirche Rotthausen bekommt ihre ursprüngliche Form zurück. In den vergangenen 113 Jahren war sie immer mehr "verstümmelt" worden.
Die Stufen zur Empore knarzen ein wenig, es riecht nach Lack und Reinigungsmittel. Das ist allerdings nicht verwunderlich, denn hier oben unter dem Dach der evangelischen Kirche an der Steeler Straße in Rotthausen wird kräftig gearbeitet: Die historische Orgel, ein Schmuckstück der Firma Seifert aus dem Jahr 1896, wird generalüberholt.
Mehr als 120 000 Euro kostet diese Restaurierung, 80 000 davon stellt die Kirchengemeinde aus Rücklagen bereit, 42 000 Euro wurden als Spenden eingesammelt. „Dieser Betrag ist vor allem durch Kleinspenden zusammengekommen”, erzählt Pfarrer Rolf Neuhaus verblüfft und erfreut zugleich. Große Spendenaktionen hat es hier nicht gegeben. „Wir sind eher von Tür zu Tür gegangen und haben die Leute sehr direkt angesprochen und gefragt, ob sie etwas zum Erhalt der Orgel beitragen möchten. Und erstaunlich viele fühlten sich dem Instrument sehr stark verbunden”, erklärt Finanzkirchmeister Reiner Kudies, der den finanziellen Rahmen der Aktion im Blick hat.
Dass die historische Orgel einmal gründlich gereinigt werden musste, war der Gemeinde schon lange klar. 2005 kam ein landeskirchlicher Orgelsachverständiger als Gutachter vorbei. „Der hat uns dann erklärt, dass eigentlich eine Komplettsanierung des Instrumentes notwendig ist, da es im Laufe der Jahre immer wieder falsch umgebaut worden war. Es sind aber noch viele Originalteile erhalten geblieben, die unsere Orgel sehr kostbar machen. Deshalb ist sie Instrument und Baudenkmal zugleich”, betont Pfarrerin Sonja Timpe-Neuhaus. Eine Wiederherstellung war also angesagt – nach 113 Jahren.
Ernst Seifert hatte das klingende Kunstwerk einst vor Ort eingebaut – mit einer pneumatischen Membranenlade, die er 1882 selbst erfunden hatte. „Diese Orgel war im Stil der deutschen Spätromantik konzipiert und daher im Klang sehr dunkel. Leider wurde sie im Laufe der Jahre von nachfolgenden Generationen immer weiter umgebaut, weil man eine Barockorgel daraus machen wollte”, sagt der junge Orgelbauer Dominik Haubrichs, und in seiner Stimme klingt Entsetzen mit.
Jens-Martin Ludwig, der Kantor und Organist der Gemeinde, bezeichnete diese Umbauversuche vorab sogar als „klangliche Verstümmelung”, denn Pfeifen wurden in den 1940er bis 1970er Jahren einfach abgeschnitten oder komplett ausgebaut. „Leider ist dabei auch das sehr teure und wertvolle Posaunenregister der Orgel ausgebaut worden und in der Zwischenzeit verschwunden. Das müssen wir jetzt komplett wieder neu herstellen”, erzählt Dominik Haubrichs von der Orgelbaufirma Klais aus Bonn, die unter anderem auch die Orgel im Kölner Dom und im Dortmunder Konzerthaus gebaut hat.
Ein Teil der Original-Pfeifen von Rotthausen fiel übrigens in einem der beiden Weltkriege zum Opfer. „Fast 300 Kilo Pfeifen wurden damals abtransportiert und zu Munition verarbeitet”, hat Reiner Kudies nachgeschlagen. Wertvolle Zinnpfeifen, das Aushängeschild der Orgelfront, wurden durch preiswertere Zinklegierungen ersetzt. „Insgesamt sind die Pfeifen sehr bleilastig”, sagt Haubrichs. Fachleute erkennen so etwas auch am Klang des Instrumentes.
Zusammen mit Azubi Elske Göhler hat der Orgelbauer in den vergangenen vier Monaten sämtliche 1550 Pfeifen des Instrumentes ausgebaut, sie einzeln gereinigt, bei Bedarf repariert und wieder neu eingesetzt.
Zudem gab es ein neues Gebläse und einen größeren Motor für den Bauch der Orgel, neue Tasten für den Spieltisch, dessen Drähte komplett neu verkabelt werden mussten. „Da waren teilweise noch Originalkabel drin, die heute nicht mehr verwendet werden dürfen, weil sie leicht entzündlich sind”, erklärt Dominik Haubrichs. Dann hantiert er mit einem Staubsauger, um die Pfeifen nach dem Wiedereinbau komplett sauber zu bekommen. Das Team muss sich ranhalten, denn am 26. April soll die Seifert-Orgel wieder in Betrieb genommen werden. Und für ganz neue Klangerlebnisse sorgen.
Info: Mit einem Festgottesdienst und einem Orgelkonzert wird die restaurierte Orgel der Ev. Kirche Rotthausen an der Steeler Straße 50 am Sonntag, 26. April, feierlich wieder in Betrieb genommen. Kantor Jens-Martin Ludwig gestaltet ab 14.30 Uhr musikalisch den Gottesdienst, nach einer Kaffeepause spielt Otto M. Krämer Orgelimprovisationen und Zuhörerwünsche. Um 18 Uhr gibt es eine Orgelführung.