Gelsenkirchen. Brennende Autos, Komasaufen, schwere Körperverletzungen in der U-Bahn, Abtauchen im Internet – das war die lange Nacht der Jugendkultur. Von wegen, denkste! Mit Poetry Slams, Gesellschaftsspielen, Graffiti, Flamenco, Literatur und ganz viel Musik feierten von Samstag auf Sonntag mehrere 100 Teilnehmer im gesamten Stadtgebiet mit der „Nachtfrequenz 11“ die Neuauflage der im Kulturhauptstadtjahr erstmals durchgeführten Langen Nacht der Jugendkultur.

In Gelsenkirchen gab es zehn Stationen (zum größten Teil Jugendkulturzentren), insgesamt beteiligten sich 30 NRW-Städte an der Veranstaltung. Und die fing teilweise schon so früh an, dass von Nacht auf keinen Fall die Rede sein konnte. Zum Beispiel im Tossehof. Das Jugendzentrum in Bulmke-Hüllen öffnete bereits um 11 Uhr seine Tore für alle, die bei einem echten Musikvideo-Dreh dabei sein und sich auch einbringen wollten. „Man konnte die Kamera selber in die Hand nehmen oder Vorschläge machen, aus welcher Perspektive gedreht werden könnte“, sagte Karel Noon vom Tossehof, als der Clip am frühen Nachmittag schon im Kasten war. Zwar hätten sich nicht so viele Jugendliche beteiligt, dafür sei aber ein „schönes Video“ entstanden. Regie führte die Gelsenkirchener Agentur 4usMedia.

Im Mittelpunkt stand dabei die Band Pol8 (zu deutsch: halb Acht), die russischsprachigen, melancholisch angehauchten Rock machen und im Tossehof proben. „Wir haben drei Lieder aufgenommen und jedes Stück vier Mal wiederholt. Das Ganze wird jetzt noch nachbearbeitet und demnächst auf YouTube gestellt“, erklärte Schlagzeuger Andrej Stang.

Poetry Slam stand gleich zwei Mal auf dem Programm. Etwa im Café-42 in Beckhausen. Workshop-Leiter Lasse Samström verspätete sich um die Kleinigkeit von drei Stunden, gab aber per Telefon Übungen für die fünf Teilnehmer durch. „Die Einzelheiten des Mordes an der Friedenstaube sind bis heute nicht geklärt“, probte Zerrin (20) aus Essen ihren Text ein, während Bianca (17) aus Castrop-Rauxel schon ganz nervös ist. Poetry Slam-Workshops gäbe es nur selten im Ruhrgebiet, begründet sie ihre weite Anreise. Warum überhaupt Poetry Slam? „Es ist eine lässige Möglichkeit, sich auszudrücken. Man kann Zeichen setzen.“ Um 19 Uhr wurde es dann ernst: Das Publikum war da.

Neben selbst verfasster Literatur gab es im Spunk in Ückendorf ab 20 Uhr einen Foto-Slam, bei dem die Teilnehmer zu Bildern eine Geschichte erfinden mussten - live am Mikro. Außerdem: Impro-Show, Lesungen, Kurzfilme, Open Stage. Im Lalok Libre in Schalke tanzte die Gruppe „Mundo Flamenco“, während im Fritz-Steinhoff-Haus in Bismarck die stockdunkle „Sensi-Disco“ ihre Pforten öffnete.

Gemalt wurde an der Hafenmauer im Nordsternpark. Dort sprühten 15 Nachwuchskünstler unter der Anleitung von Graffiti-Künstler Beni Veltum Farbe auf: „Die Aktion war ein voller Erfolg.“

Und im DGB-Haus der Jugend in der Altstadt war auch Paul M. Erzkamp vollauf zufrieden. Dort traten die Bands „Tyler Rigby“ (Indie) und „John und Voss“ (Rap) auf, die „Kritischen Gesellschafter“ trugen Gedichte von Brecht und Hikmet vor und „Cardamon“ spielten mit dem Feuer. Erzkamp: „Ich würde mich freuen, wenn es eine Fortsetzung gibt.“