Gelsenkirchen. . Organspenden sind in aller Munde und nötiger denn je. Aber wie funktioniert das überhaupt? Welche Wege gehen Niere, Herz und Co.? Die WAZ hat sich bei Experten umgehört.

Motorradfahrer werden im Scherz hin und wieder als Organspender bezeichnet, weil sie wegen der nicht vorhandenen Knautschzone dem Tod ein wenig näher sind als Autofahrer. „Diese ,Volksweisheit’ stimmt aber nur zu einem kleinen Teil“, sagt Dr. Uwe Wildförster, der Transplantationsbeauftragte am Bergmannsheil Buer, wo jährlich drei bis sechs Organe entnommen werden – von der einzelnen Niere bis hin zur „Multiorganentnahme“. Transplantiert wird in keinem der Gelsenkirchener Krankenhäuser.

In der Bundesstatistik, so Wildförster, sind 20 bis 25 Prozent der Verstorbenen, die ein Organ spenden, Unfallopfer, die einem Schädelhirntrauma erlagen. „Sonst liegen Erkrankungen des Gehirns vor“, sagt der Transplantationsbeauftragte. So könnten etwa ein Schlaganfall, Hirnblutungen und -tumore oder eine Sauerstoffminderversorgung zum Hirntod führen. Denn – und das wird oft vergessen – Niere, Leber, Herz und Co. können nur nach einem Hirntod entnommen werden, der vor einem Herzstillstand eintritt. Wildförster: „Das ist nur bei etwa 1 Prozent der Verstorbenen der Fall.“ Natürlich gibt es auch noch die Lebendspende (z.B. Niere).

So erklärt sich auch, dass von 2010 bis heute in den Evangelischen Kliniken (EVK) kein einziges Organ entnommen worden ist. 2009 gab es drei Fälle, in denen Nieren, Leber, Herz und Bauchspeicheldrüse entfernt wurden. Nach Feststellung des Hirntodes fällt die Entscheidung, ob eine Organspende möglich ist. „Dies ist in erster Linie davon abhängig, ob der Verstorbene zu Lebzeiten eine Einwilligung in eine Organentnahme gegeben hat“, bringt Dr. Christoph Nobis, der EVK-Transplantationsbeauftragte, den Organspendeausweis ins Spiel. „Ist dies nicht der Fall, entscheiden die Angehörigen, ob eine Spende erfolgen darf.“ Erst wenn die Zustimmung vorliegt, werden weitere Untersuchungen durchgeführt, koordiniert durch die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO).

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Von DerWesten

Die DSO wiederum meldet die verfügbaren Organe gemäß Gesetz an die Stiftung Eurotransplant, die in sieben europäischen Ländern verantwortlich ist für die Zuteilung von Spenderorganen. Aus den Transplantationszentren (u.a. in Essen, Bochum, Münster, Düsseldorf) kommen dann Teams in die entsprechende Klinik – je nach Dringlichkeit auch mit Helikopter – und entnehmen vor Ort im OP die Organe. „Die Teams sind auf unterschiedliche Organe spezialisiert. An einem Patienten können also mehrere Mannschaften ,aktiv’ werden“, sagt Nobis. Der Leichnam wird danach zur Aufbahrung vorbereitet und kann bestattet werden.

Die Verpflanzung erfolgt dann unmittelbar in den Transplantationszentren – 72 gibt es in Europa. Die „außerkörperlichen Überlebenschancen“ der Organe sind unterschiedlich, sie müssen gekühlt werden. Nobis: „ Aber nicht tieffrieren, dabei gehen die Zellen kaputt. Eine Niere hat bis zu 24 Stunden Zeit, aber ein Herz muss innerhalb weniger Stunden verpflanzt werden.“

Die Kliniken können nachvollziehen, wohin die Organe gegangen sind. „Wir erfahren, ob die Niere nach Berlin oder nach Holland geht. Den Menschen erfahren wir nicht“, erklärt Uwe Wildförster. Auch von eventuellen Komplikationen erfahren die Kliniken, allerdings nicht, wie lange das Transplantat hält. „Organe verlieren ihre Funktionen“, so der Experte am Bergmannsheil.

Michael Axinger ist Abteilungsleiter der Einsatzabteilung und stellvertretender Leiter der Feuerwehr Gelsenkirchen: „Wir haben 33 000 Einsätze pro Jahr, davon 16 000 Rettungseinsätze, in denen bis zu 4500-mal der Notarzt eingreift.“ Die Versorgung der Verletzten stehe an erster Stelle. Bei der einhergehenden Identitätsüberprüfung wird untersucht, ob das Opfer behindert ist, Diabetes oder Allergien hat, einen Blutspenderausweis hat. „Dann würde man eventuell auch auf einen Organspendeausweis stoßen. Für uns spielt das erstmal keine Rolle, aber es wird bei der Übergabe der Person im Krankenhaus dokumentiert.“