Eine Krankheit kann kein gutes Image haben. Ein Defizit in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, das durch eine Gehirn-Erkrankung ausgelöst wird – gemeinhin als Demenz bekannt – verbreitet in einer älter werdenden Gesellschaft aber zunehmend große Angst. Eine Angst, die Hinrich Meyer und Martina Mail ab sofort bekämpfen wollen. Gestern startete die Demenz-Sprechstunde, die einmal im Monat stattfinden soll.
„Das Leben mit einer Demenz-Erkrankung ist nicht mehr wie vorher, aber wir haben Möglichkeiten, einen Verlauf in Ruhe und Harmonie und in der Familie zu schaffen“, sagt Hinrich Meyer, der 22 Jahre lang als niedergelassener Nervenarzt in Gelsenkirchen-Buer praktizierte und ehrenamtlich die Demenz-Sprechstunde begleiten wird.
Gelingen kann das allerdings nur, wenn sich Betroffene frühzeitig in die Hände von Experten begeben. „Leider treffen Ärzte häufig erst in einem Stadium auf die Patienten, in dem nicht mehr viel zu machen ist“, so Meyer.
Das Angebot, das in Abstimmung mit Dr. Wilfried Reckert, Seniorenbeauftragter der Stadt, entwickelt worden ist, soll helfen, diese Situation zu verbessern. „Demenz ist eine Familienerkrankung, denn alle leiden darunter“, erklärt Meyer und Sozialpädagogin Martina Mail fügt an: „Deshalb richtet sich das Angebot auch an Angehörige und Freunde. Niemand soll Angst haben müssen, zu uns zu kommen. Wir bieten ein erstes Gespräch an und können dann helfen, den richtigen Weg zu gehen, können Kontakte zu Experten herstellen und Angehörigen Angebote nennen, die ihnen helfen, mit der Situation richtig umzugehen. Und ganz wichtig dabei ist, dass wir natürlich unter Schweigepflicht stehen.“
Eine beginnende Demenz-Erkrankung ist nur schwer zu erkennen. Wenn die Anzeichen wie zum Beispiel Orientierungsstörungen deutlich werden, ist die Demenz nicht selten schon weit fortgeschritten. „Es beginnt schon bei kleinen Dingen, die im Gespräch auftauchen. Eine kurze aber auffällige Vergesslichkeit. Die Krankheit verläuft pulsierend. Es sind also kleine Anzeichen, die auch sofort wieder verschwinden können. Eine Demenz kann durchaus schon im fünften Lebensjahrzehnt beginnen. Wirklich bemerkt wird sie dann aber erst im siebten Lebensjahrzehnt“, sagt Experte Meyer.
Orientiert man sich an Statistiken, leben in Gelsenkirchen rund 3900 Menschen mit irgendeiner Form von Demenz-Erkrankung. „Viele Betroffene denken, dass etwas Furchtbares mit ihnen und ihrem Umfeld losbricht, wenn sie aussprechen, dass sie spüren, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Das ist aber nicht so, es gibt Wege, die Krankheit zu verlangsamen und ein Leben im gewohnten Umfeld zu ermöglichen“, betont Meyer.
„Man kann mit der Krankheit leben, aber es hängt auch viel von einem selbst ab, wie man damit umgeht. Man kann es positiv beeinflussen“, sagt Mail und denkt dabei nicht nur an eine medikamentöse Behandlung. „Angehörige können Pflegekurse, Seminare und Selbsthilfegruppen besuchen und sich mit anderen und Experten austauschen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es deutliche Verbesserungen im Umgang bringt.“
Die erste Demenz-Sprechstunde mit Hinrich Meyer und Martina Mail fand am Montag, 10. Oktober, von 16 bis 17.30 Uhr in der Maelostraße 8 in Buer statt. Danach wird sie an jedem zweiten Montag eines jeden Monats zu dieser Zeit stattfinden.