Gelsenkirchen. . Pavel und seine Freunde waren da – und wie. Wer „Der Familie Popolski“ kennt, weiß, dass dann die Post abgeht. So geschehen am Samstagabend auf der Bühne der Emscher-Lippe-Halle in Gelsenkirchen. Get the Polka started!

Es ist schon ein schweres Kreuz, das „Der Familie Popolski“ zu tragen hat: Vor hundert Jahren wird ihr Opa nicht nur von einem windigen Produzenten all seiner Songs beraubt, sondern muss auch noch mit ansehen, wie andere insgesamt 128 000 Top-Ten-Hits mit völlig verhunzten Versionen der Titel landen. Aber glücklicherweise gibt es ja die Enkel des Pop-Paten aus Zabrze, die seit einigen Jahren der Welt zeigen, wie polnische Popmusik zu klingen hat ...

Zugegeben, der Witz, der der Popolski-Show zugrunde liegt, ist mittlerweile nicht mehr neu, genauso wenig, wie das Konzept, bekannte Nummern durch den Polka-Wolf zu drehen und im Dreivierteltag mit slawischem Akzent darzubieten. Aber es funktioniert nach über fünf Jahren noch, so auch am Samstagabend in der Emscher-Lippe-Halle.

Dass man sich nicht permanent von Déjà-Vu geplagt fühlt, liegt vor allem an dem offensichtlichen Spaß, mit dem die Musikanten um Pavel Popolski (vormals auch bekannt als Achim Hagemann, der sich einst als Hape-Kerkeling-Sidekick verdingte) in ihre Rollen schlüpfen. Der Bandleader drischt nicht nur auf sein Schlagzeug ein, als gelte es die heimische Plattenbausiedlung zum Einsturz zu bringen. Man moderiert auch eloquent und berichtet von vielerlei „Bekloppsten“, die den Weg der Familie kreuzten, von der „Polka Überwachungsverband“ („PÜF“), und der gewerkschaftlichen Pflicht, allerspätestens alle zwanzig Minuten, eine „Wudka“-Pause einzulegen, um den Spielfluss viskoser zu gestalten.

Leider hält man sich im Vergleich zu vorangegangen Programmen bei „Get The Polka Started“ mit den herrlich illustrierten und völlig abstrusen Anekdoten um die Familienmitglieder ziemlich zurück. Lediglich Akkordeonspieler Marek (Markus Grieß) und Koteletten-Hüne Elvek (Oliver Steinhoff) werden mit Diashows bedacht, in denen man erfährt, dass Marek sich einst als Filmkameramann verdingte und unter anderem Klassiker wie „Rambek“, „Der Killerforelle“ (später als „Der weiße Hai“ in Hollywood verhunzt) oder „Es war einmal in Zabrze“ inszenierte.

Aber gut, dann gibt’s halt mehr Musik. Und die ist auch beim neuen Programm der Popolskis einmal mehr über jeden Zweifel erhaben. Eingeleitet von der Popolski-Fanfare schunkelt sich die Großfamilie über zwei Stunden lang durch einige Jahrzehnte Popgeschichte und zeigt dem Publikum, wie ABBA und Co. In Wirklichkeit klingen sollten.

Rage-Against-The-Machine-trächtig

Jeder bekommt seinen Spot und so bekommt man zu hören, wie Herzensbrecherin Dorota Popolski (Iva Buric Zalac) „I need a Zloty“ (unlängst von Aloe Blacc in die Charts gewuppt – hier aber in Dollar), Danusz alias Daniel Basso aus Roberto Blancos „Ein bisschen Spaß muss sein“ eine ergreifende Jazz-Ballade macht oder der stets coole Gitarrist Mirek (Mirko van Stiphaut) zum „Lied der Schlümpfe“ den Hendrix raushängen lässt.

Das funktioniert meistens ganz prima; mitunter verzettelt man sich allerdings auch. Zwar gibt es bei der „Peter und der Wolf“-Adaption, in der sich Nesthäkchen Janusz mit der fiesen Tierwelt herumschlagen muss, ein Wiedersehen mit Wolf, Lamm und Habicht, die einst die intellektuelle Elite in den geistigen Ruin trieben und auch am Wochenende wieder „Hurtz“ machen. Übermäßig gelacht wird allerdings nicht. Vermutlich kennen viele der Anwesenden das Original nicht.

Als sich aber zum Finale Publikumsliebling Janusz (Martin Ziaja) von reichlich Wudka enthemmt wieder das Hemd vom Leibe reißt und eine Rage-Against-The-Machine-trächtige Version von „Cheri Cheri Lady“ zum Besten gibt, ist alles gut.