Gelsenkirchen.
Diesen Raum, sagt Carlo Philippi, „werde ich vermissen“. Helle Einbauwände, Barschrank mit Humidor, Holzpflaster, nüchterne Charles-Eames-Chairs am Konferenztisch, auf der Empore vier kantige, rote Ledersessel. Alles strahlt sachliche Gediegenheit aus.
Weiße Stoffpaneele filtern das Licht. Dahinter zeichnet sich die Chemie-Kulisse ab, unten führt die Nord-Süd-Straße vorbei, die Hauptverbindungsachse im BP-Werk Scholven. Tanks und Kolonnen ragen hinter Bäumen auf, in der Ferne drehen sich die Windräder auf der Halde. Olefin-Anlagen und Hydrockracker arbeiten. Lange war das Philippis Welt, sein Arbeitsrevier. Als „Öl-Baron“ haben sie den Ingenieur mal bezeichnet, der 1980 bei der Veba Oel AG den beruflichen Karriere- Einstieg fand. Ein Schlagzeilen-Titel, mit dem er wohl gut leben konnte. 2000 wurde Karl-Heinz Philippi in die Geschäftsführung der Veba Oel Verarbeitungs GmbH, der heutigen BP Gelsenkirchen berufen. Seither ist er verantwortlich für die Produktion und Instandhaltung der Raffinerien am Doppel-Standort Horst und Scholven.
56 ist Philippi mittlerweile – und „über 30 Jahre mit dem Unternehmen verwurzelt. Doch jetzt ist die Zeit gekommen, wo ich aussteige“. Der Termin steht, der Aufsichtsrat ist informiert. Am 15. Oktober verlässt Philippi das Unternehmen. Er will „nicht still und heimlich von der Bildfläche verschwinden“, nicht etwa in den Ruhestand gehen, sondern „was Neues machen. Ich habe eine kleine Firma gegründet, die sich mit Beratung beschäftigt. Meine Leidenschaft ist Kommunikation.“ Mittelstandsberatung hat sich Philippi vorgenommen. „Wenn Stärken sich verstärken, bleibt kein Raum für Schwächen. Viele Leute in Deutschland arbeiten viel zu sehr an ihren Schwächen“, ist seine Überzeugung. Die ist auch in den Jahren in der Verantwortung gewachsen.
„Alleinerziehender Vater von drei Söhnen“
„Eine Firma muss immer die Mitarbeiter im Fokus haben“, sagt Philippi. „Sie sind das wichtigste Kapital, das Unternehmern anvertraut wird.“ Werte und Wertschätzung zählten, nicht nur „die Technologie, die Verfahren, das Geld. Gewinnmaximierung kann nicht die alleinige Kraft eines Unternehmens sein. Es ist entscheidend, dass die Leute begeistert und überzeugt sind von dem, was sie tun.“
Im österreichischen Graz kam Philippi zur Welt. Karl-Heinz heißt er eigentlich mit Vornamen. Carlo wurde daraus. Oder „CP,“ sein Kürzel bei BP. In Herten ist er aufgewachsen, in Marl hat er später gelebt, dann ist er nach Buer gezogen. Als „alleinerziehender Vater von drei Söhnen“ bleibt er dem Revier („eine liebenswerte Region“) verbunden, behält auch hier öffentliche Funktionen. Zum Beispiel im Hochschulrat oder als Mitglied der Wirtschaftsinitiative. Doch am Zweitwohnsitz in München will Philippi künftig mehr Zeit verbringen.
Mit 13 Mio t Jahresdurchsatz „ist Gelsenkirchen ein großer Standort und für BP strategisch wichtig. Ich glaube, dass er eine hohe Absicherung für die Zukunft hat.“ 1,3 Mrd € wurden in elf Philippi-Jahren investiert, um Anlagen zu optimieren, den Standort umzustrukturieren. Umgebaut wurde in der Zeit auch der marode Balkon an der Verwaltung zum Besprechungszimmer, eben dem Dialograum, in dem Philippi von seinen Plänen erzählt. Die Geschäftsführung kommt hier jede Woche zusammen, Gesprächskultur wird in diesem Umfeld gepflegt. Ein Kommunikations-Ort – wie ihn „CP“ liebt.