Gelsenkirchen.
„Meine Zeit hier ist zu Ende“ – Hotel-Direktor Walter Chytra sagt das mit dem dialekt-gefärbten Grundton, der ihn auch nach Jahrzehnten in Gelsenkirchen als Österreicher ausweist.
Seine Mutter wird er im November in Wien besuchen. Sie feiert ihren 90. Geburtstag. Chytra selbst ist seit dem letzten Februar 65. In die alte Heimat zieht es ihn nicht. Er verlässt das Maritim-Hotel Richtung Norden. An der Küste in der Nähe von Büsum und Heide will Chytra den Ruhestand genießen. „Meine Frau ist von dort“, sagt der Hotelchef. Und diesmal zieht er ihr hinterher.
Bislang war das umgekehrt. Sie folgte ihm auf seinen beruflichen Stationen. Die führten in der Branche die Karriereleiter hinauf durch verschiedene Hotels und vor 23 Jahren in den Stadtgarten. Hier wurde Walter Chytra Chef von rund 100 Mitarbeitern – und auch so etwas wie eine Institution.
222 Zimmer hat das Maritim. Gleich nebenan entstand vor 40 Jahren auch die Residenz – ein Wohnturm, angebunden an die Serviceleistungen eines gehobenen Hotels. „Das Maritim ist typisch für die Häuser der ersten Generation“, sagt Chytra. Gelsenkirchen war lange Zeit das Flaggschiff im Revier und das Hotel mit der höchsten Bettenkapazität weit und breit. Gab’s zwischen Dortmund und Duisburg Großes zu feiern, stiegen die Protagonisten gerne im Maritim ab. Die Liste der A- bis C-Promis, die Chytra begrüßen konnte, ist lang: „Udo Lindenberg war in letzter Zeit wieder zweimal da“, erzählt Chytra. Johannes Rau und Gerhard Schröder oder Franz Müntefering haben in ihrer aktiven Politzeit hier genächtigt, Maradona, die „Hand Gottes“, logierte hier. Trainer Holger Osieck, lange Spieler in Gelsenkirchen und amtierender australischer Nationaltrainer, war jüngst mal wieder im Haus. „Chris Barber ist eigentlich immer hier, wenn er im Ruhrgebiet unterwegs ist“, sagt der Direktor. Die RTL-Löwenpartys wurden im Maritim gefeiert, für „Kleine Haie“ lieferte das Hotel die Filmkulisse. „Und die gesamte Filmcrew für ,Der Große Bellheim’ hat hier gewohnt. Mit Regisseur Dieter Wedel und Mario Adorf“, sagt Chytra. 1992 ist der Vierteiler gesendet worden, in gesellschaftlichen Glanzzeiten der Gelsenkirchener. Auch das gehört dazu: David Hasselhoff, gerade von Knight Rider ins Popfach gewechselt, bekam im Haus seine Goldene Schallplatte verliehen. „Auf der Kegelbahn.“
Die gehört zum Maritim wie der Hot House-Jazz-Club, wie Schwimmbad und Sauna am Fuß des 15-Etagen-Turms. „Ich habe das immer so gesehen, dass wir ein Teil der Stadt sind“, sagt Chytra. „Das ist wichtig.“ Die Kontakte hat er gepflegt. Letztlich auch, um dauerhaft „sein“ Hotel zu füllen. „Wir profitieren schon sehr von Schalke. Ich bin dankbar für die Arena“, räumt der 65-Jährige ein.
Fußball ist ein Betten-Füller. Ebenso die Zoom-Erlebniswelt. „Das ist der Renner“, sagt Chytra. Auch beim Biathlon oder Raabs Stock-Car-Challenge ist das Hotel bestens gebucht. Hinzu kommen zunehmen die Stadt-Touristiker. „Man muss immer neue Wege gehen, um seine Zimmer zu vermieten“, sind sich Chytra und sein Nachfolger Jochen Rönisch einig. Bei über 40 000 Übernachtungen pro Jahr ist für beide durchaus noch kein Ende in Sicht.
Chytra, der bekennende Oldtimer-Fan und -Fahrer, wird nicht unbedingt die Stadt vermissen. Aber die Menschen hier. „Die sind mir ans Herz gewachsen.“ Ende September geht der Hotelchef. Erst in den Resturlaub, dann in den Ruhestand. Reisen wird er sicherlich weiterhin gern. Was er als Gast schätzt? „Gute Dienstleistung. Das ist das Kapital eines Hotels. Die Häuser sind ja eigentlich austauschbar.“
Nahtloser Übergang an anderen Schlüsselstellen
32 Jahre arbeitet Alfred Winkelmann im Gelsenkirchener Maritim. Aktuell ist er Veranstaltungsleiter und stv. Direktor. Jetzt verabschiedet er sich ins Rentnerleben. Nachrücken als Veranstaltungsleiterin wird Beate Wolinski, die ihm „über zwölf Jahre zur Seite“ stand. „Das ist ein Vorteil für die Kunden, wenn das nahtlos übergeht.“
Walter Chytra, sagt Winkelmann, „war hier mein 5. Chef“. Nummer 6 ist seit drei Wochen auch vor Ort: Jochen Rönisch wird neuer Hoteldirektor. Über die Maritim-Häuser in Schmallenberg, Bad Wildungen und Bad Salzuflen kam der 54-Jährige nach Gelsenkirchen und hat mit Chytra diverse Antrittsbesuche in der Stadt absolviert. „Diese Woche ziehe ich her. Ich will mich mit der Region identifizieren. Meine Frau freut sich auch auf Gelsenkirchen“, sagt Rönisch, der aus Wolfenbüttel stammt, „der Stadt des Jägermeisters“. In der Feldmark beziehen beide eine Wohnung. Im Stadtgarten will der neue Chef die Hotelentwicklung weiter drehen. Zuletzt wurden die Liftanlagen für 500 000 € erneuert. Weitere Investitionen sollen in Zimmer und Außengestaltung fließen.