Die Gelsenkirchener Kunstszene hat sich wieder in die Peripherie begeben. Folgt der Besucher der lateinischen Bedeutung des Wortes, könnte er zu dem Schluss kommen, dass die Randgebiete der Stadt erobert werden. Das Gegenteil ist der Fall. Der gemeinnützige Verein „Kunst Peripherie Ruhrstadt“ hat sich ins Herz der Stadt gewagt und füllt bis Samstag fünf leerstehende Geschäftsräume in der Altstadt mit neuem Leben. Es ist die achte Auflage der Reihe.
Für die schüchternen Besucher bietet die ehemalige Damenboutique neben der Sparkasse am Neumarkt einen guten Einstieg für einen Rundgang: Wer sich nicht in die Höhle des Löwen traut, kann von außen sehen, wie Tätowierer Maik Förster Kunst auf die Haut bringt. Das Schaufenster in der dritten Etage ist bis Samstag sein Studio. „Die Leute kommen sogar spontan vorbei und lassen sich tätowieren“, so Förster, der sich die Räume mit Graffiti-Künstler Beni Veltum und den Illustratoren Elke Brandt und Maik Schmidt teilt.
Normalerweise gestalten die zwei letztgenannten Cover für Bücher und Spiele. „Es ist super, jetzt ein Heimspiel zu haben“, so die Gelsenkirchenerin Elke Brandt. Für die KPR hat sie ihr Büro in die Galerie verlegt, so dass die Arbeiten der Künstler auch vormittags und täglich, also außerhalb der einheitlichen Öffnungszeiten der fünf Galerien (siehe unten), angeschaut werden können. Brandt: „Es ist spannend, dass die Besucher zuschauen, wie wir arbeiten.“
So wie Tätowierer Förster sind die beiden Illustratoren bei der Kunst Peripherie erstmals dabei. Über Facebook sind die Künstler in Kontakt mit den KPR-Machern getreten. Genauso wie Melina di Febo. Die Gelsenkirchener Studentin zeigt wenige Meter weiter, in der „Galerie am Rundhöfchen“, Grafiken. Auch zwei Kommilitonen, mit denen sie erfolgreich das Blog Findtheblackelephant.com betreibt, zeigen dort ihre Arbeiten. Die „Studentenbude“ wird durch Holzskulpturen von Roger Löcherbach komplettiert.
Unter dem Namen „inbetween“ hat ein ehemaliger Friseursalon an der Von-Oven-Straße 7 geöffnet. Klara Wardetzki zeigt erstmals ihre Zeichnungen. Helmut Warnke präsentiert an gleicher Stelle Installationen und digitale Bildbearbeitungen. In den Räumen eines ehemaligen Discounters an der Hauptstraße 5 („Le rstelle“) beeindruckt vor allem Dirk Schattners Installation „Fluchtraum/Kinderkreuzzug“. Im gesamten Kellerbereich erzeugt die Mischung aus Grabkerzen, Gewehrschüssen und der Licht- und Toninstallation ein mulmiges Gefühl. Eine Etage höher sorgen Attila Schuster (Installation), Sigi Schwill und Klaus Kasperszak (Fotografie) für heiterere Gedanken. Akin Sipal, Förderstipendiant des Hamburger Thaliatheaters, zeigt Fotos und Texte von und über Istanbul.
Durch das Gebäude an der Hauptstraße kommt man zur Galerie auf Zeit (alternativ über die Von-Oven-Straße 10). Dort stellen Olaf Stöhr (Collagenbau), Verena Wagner und Morales (beide Malerei) aus. „So langsam spricht es sich rum, dass es uns gibt“, so Cora Leyers, eine der KPR-Organisatorinnen. Alle Galerien sind Montag, Mittwoch und Freitag 15 Uhr bis 20 Uhr, Samstag 12 Uhr bis 20 Uhr geöffnet. In den Abendstunden bieten Galerie auf Zeit und „Le rstelle“ Live-Musik, Tanz, Lesungen und Filme. Das ganze Programm ist unter kunst-peripherie-ruhrstadt.de abrufbar.