Im Alfred-Zingler-Haus schnuppern Kinder während der Ferien spielerisch in Demokratie und Arbeitswelt - und sind Ärzte, Beamte, Schlosser oder Bankräuber.
Anil (11) ist im Stadtrat. Deshalb trägt er eine rote Scherpe. Außerdem ist er Wahlhelfer. „Kommt Ihr bitte aus der Wahlkabine raus?!”, raunt er pflichtbewusst seine Mitbürger an, die es mit der geheimen Stimmabgabe nicht so genau nehmen. Dabei ist das mittlerweile die dritte Bürgermeisterwahl in der Spielstadt im Alfred-Zingler-Haus.
Initiator der Ferienaktion der Falken und der Spielwerkstatt Rhinozeros ist Wolfgang Bort: „Wir simulieren eine Stadt mit verschiedenen Gewerken.” Ein Arzt in weißem Kittel und mit Stethoskop um den Hals huscht den Flur entlang die Treppen hinauf. „Die Kinder bekommen einen Bürgerausweis ausgestellt, mit dem sie dann ins Jobcenter gehen und sich einen Beruf aussuchen”, erklärt Bort das Prozedere im Margaretenhof in Bulmke-Hüllen. „Wir haben eine demokratische Struktur. Fünf Leute werden in den Stadtrat gewählt – Wer die meisten Stimmen bekommt, wird Bügermeister.” Gefördert wird die Spielstadt von der Kreativwerkstatt für Kinder und Jugendliche.
„Ausnahmsweise, eigentlich müsste ich jetzt arbeiten”, erklärt sich der amtierende Bürgermeister Christian (12) zu einer Führung durch die Stadt bereit. Die erste Station ist das Jobcenter. Hier können die kleinen Einwohner sich eine Arbeitsstelle aussuchen. „Die Plätze für das Ordnungsamt und das Jobcenter sind meistens sofort weg”, sagt Christian, der noch für etwa zwei Stunden im Amt ist. Am Freitag sei die Bank nebenan überfallen worden. „Geld her oder Wattebäuschchen” hätten die Räuber mit einem Plakat gedroht. „Sie wurden nicht geschnappt. Es gibt zwar Verdächtige, aber man kann ihnen nichts nachweisen”, gibt der erste Bürger der Stadt Nachhilfe in Rechtsprechung.
Die Währung in der Spielstadt sind die „Alfredos”. „Einheitslohn für alle!”, fordert eine Tafel im Jobcenter. Und tatsächlich: Egal ob Beamter, Handwerker oder Akademiker – jeder erhält einen Stundenlohn von fünf Alfredos. Davon kann man einkaufen – und muss Steuern zahlen. Nach einem Sechs-Stunden-Tag hat also jeder Bürger 30 Alfredos auf seinem Lohnzettel stehen. Der Bürgermeister ist Doppelverdiener. Christian arbeitet nebenbei als Schlosser und Schreiner. Abgezeichnet vom Meister können die Kinder ihr Geld bei der Bank abholen. Als erwachsene Meister, die die Gewerke leiten, fungieren Helfer von den Falken oder der Spielwerkstatt Rhinozeros.
Die Besichtigungstour führt vorbei an Kantine, Post, Kiosk und Theater. „Extrablatt! Extrablatt!”, wollen die rasenden Reporter den „AlfrediBoten” für zwei Alfredos an den Mann bringen. „Neuer Impstoff gegen die Krokodilitis” lautet eine der Schlagzeilen. Die Krankheitssymptome sind grüne Punkte. Das haben sich die Kinder natürlich nicht selber ausgedacht. Hin und wieder inszenieren die Erwachsenen um Wolfgang Dort etwas. So auch den Banküberfall. „Wenn ich sehe, dass die Kinder zu viel Geld haben, setze ich mich hin und bettel”, sagt der Initiator.
Der neue Bürgermeister steht fest. Christian muss seine Kette abgeben. Etwa 70 Kinder haben gewählt und Anil hat die meisten Stimmen bekommen. Vielleicht, weil er seinen Job als Wahlhelfer so ernst genommen hat.