Gelsenkirchen. Gelsenkirchen. In Gelsenkirchen gibt es 23.000 funktionale Analphabeten. „Die Dunkelziffer liegt noch weitaus höher“, sagt Joachim Bothe vom Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung.

Er informiert zusammen mit der Volkshochschule und dem Verein Ruhrinit in der Innenstadt über das Thema. Manche kennen die Buchstaben, können aber nicht lesen. Andere verstehen leichte Texte, haben jedoch Probleme beim Schreiben.

Aber warum können so viele Erwachsene nicht lesen und nicht schreiben?

Im Verlauf des zweiten Schuljahres soll der Leselernprozess bei Kindern abgeschlossen werden. „Aber nicht alle kommen da mit“, sagt Heidrun Schumacher von Ruhrinit. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, ob es nun einen Migrationshintergrund gibt oder das Kind einfach mehr Übung braucht.

Keine Zeit für individuelle Förderung in der Schule

Für eine individuelle Förderung des Kindes bleibt in der Schule aber keine Zeit. „Es gibt Grundschulen, die einmal im Halbjahr ein zusätzliches Lern- und Schreibtraining anbieten. Aber selbst das reicht nicht“, sagt Heidrun Schumacher. So bleiben manche auf der Strecke.

Experten raten Eltern, mit ihren Kindern gemeinsam das Lesen zu üben. Dazu können Situationen im Alltag genutzt werden, weiß Heidrun Schumacher: „Sei es die Kinder, den Fahrplan am Bahnhof lesen zu lassen oder das Schild beim Arzt oder Ähnliches.“

"Betroffene sind in einem Teufelskreis gefangen"

Wenn aber der Rückhalt vom Elternhaus fehlt, werden die Defizite schnell größer. „Dann kommt der Frust. Die Betroffenen sind in einem Teufelskreis gefangen“, sagt Semra Öztan von der Volkshochschule. Oft wird die Schule geschwänzt.

Viele verlassen sie am Ende ohne Abschluss. Und wer nicht lesen und nicht schreiben kann, kann sich auch nicht bewerben und hat somit kaum eine Chance auf einen Ausbildungsplatz. „Hinzu kommt, dass Eltern, die nicht lesen und schreiben können, auch ihren Kindern nicht dabei helfen können“, sagt Joachim Bothe.

Unterschiedliche Kurse für Erwachsene

Der Alltag von Analphabeten gestaltet sich schwierig. Schon beim Ausfüllen von Formularen sind sie auf Hilfe angewiesen. „Manche haben Tricks, sich ihr Leben zu organisieren. Sie vertuschen ihre Probleme. Aber andere ziehen sich in die Isolation zurück“, erzählt Heidrun Schumacher. „Das ist ein gesellschaftliches Problem“, stellt Joachim Bothe fest.

Analphabetismus ist peinlich. Aber das muss es nicht sein. Es gibt unterschiedliche Kurse für Erwachsene. Auch wenn es Überwindung kostet, den Betroffenen hilft es, sich mit anderen, die dieselben Schwierigkeiten haben, auszutauschen. Also nur Mut.